Bei meinem heutigen Besuch mußte ich enttäuscht feststellen, daß am Vortag der bislang noch nicht gemähte und kürzlich noch ausgesprochen blumenbunte Wiesenbereich zur Heugewinnung gemäht worden war. Nicht einmal ein schmaler Saum wurde ausgespart.
Da der Waldrand und die Streuobstwiese in einem Naturschutzgebiet liegen, sollte dieser Bereich laut Verordnung erst nach dem 15. August gemäht werden. Da in der Umgebung intensiv bewirtschaftete (Mais-)Äcker liegen, sollte wenigstens hier das Blütenangebot nicht versiegen. Da der südliche, zweischürig bewirtschaftete Bereich in diesem Jahr zu spät, nämlich erst am 15. Juli statt Mitte bis Ende Juni gemäht wurde, steht nun in dem gesamten Gebiet nur ein sehr beschränktes Nahrungsangebot zur Verfügung. Um die weitere Bewirtschaftung bzw. Pflege dieses Gebietes besser auf die hier zu fördernde Wildbienengemeinschaft abzustimmen, werde ich mit der zuständigen Naturschutzverwaltung in Kontakt treten, um für die Zukunft eine befriedigende Lösung zu erreichen. Auch bei einer extensiven Nutzung (z.B. nur Erhaltungsdüngung) spielen Zeitpunkt und Anzahl der Schnitte für die vom Blütenhorizont abhängigen Blütenbesucher gerade in der heute so intensiv genutzten, strukturarmen Landschaft eine wichtige Rolle.
In dem Mitte Juli gemähten Wiesenabschnitt haben der schnellwüchsige Rote Wiesenklee (Trifolium pratense) sowie der Gewöhnliche Hornklee (Lotus corniculatus) gerade wieder zu blühen begonnen. An ihnen habe ich heute die nachfolgenden Beobachtungen machen können.
Das Weibchen der Furchenbienenart Halictus tumulorum öffnet durch Druck der Hinterbeine die Rotklee-Blüte. Dann werden die Pollen von der Griffelspitze mit den Vorderbeinen unter Zuhilfenahme der Mandibeln geerntet.
Danach werden die Pollenkörner an die Mittelbeine abgegeben und von dort in die Transporteinrichtungen der Hinterbeine und der Unterseite des Hinterleibes umgelagert. Achte auf die Haltung der Mittelbeine!
Das Weibchen hat die Pollenernte an dieser Blüte beendet. Es wird im nächsten Augenblick zu einem weiteren Blütenstand fliegen. Die übereinstimmende Farbe der Pollenkörner in den Staubbeuteln und in den Transporteinrichtungen der Biene zeigen, daß das Weibchen blütenstet gesammelt hat, also auf diesem Sammelflug dem Rotklee »treu« geblieben ist. Große Auswahl hatte das Weibchen ohnehin nicht.
Der zu den Furchenbienen gehörende Halictus tumulorum gehört in Mitteleuropa zu den häufigsten Bienenarten. Die Art ist recht anspruchslos und daher im Bestand nicht gefährdet. Sie ist auf trockenwarmen Magerrasen ebenso wie auf kühlen Waldlichtungen zu finden und tritt auch in Parkanlagen und Gärten auf. Als Pollenquellen sind mir bisher Vertreter von 14 Pflanzenfamilien bekannt geworden. Während ich die Art schon mehrfach an Weißklee (Trifolium repens) beobachtet habe, stand der Rotklee bisher nicht auf meiner Liste der Pollenquellen. Zur Anlage der selbstgegrabenen Hohlräume nimmt Halictus tumulorum mit allen möglichen Bodenarten vorlieb. An »meinem« Waldrand nistet die soziale Art an vegetationsarmen Stellen im Löß.
Die Blüten(-köpfchen) des Rotklees sind auch für bestimmte Tagfalter von Bedeutung. fast ausschließlich in rötende Köpfchen legt das Weibchen des Rotklee-Bläulings, Polyommatus semiargus, seine Eier. Dieses heute beobachtete Tier gehört zur zweiten Generation, deren Weibchen nur dort Eier ablegen können, wo einige Wochen zuvor gemäht wurde (in ungemähten Flächen blüht im August kein Rotklee mehr). Bereits im Frühling hatte ich diesen Tagfalter, dessen typischer Lebensraum magere Wiesen sind, hier beobachtet.
An den wenigen vorhandenen Blüten des Hornklees, seiner Lieblingspflanze, versuchte, ein Weibchen des Harzbienchens, Anthidium strigatum, sich zu verköstigen. Zu dieser Art gibt es eine Fotogalerie des Zellenbaus.
Ohne Belegexemplar und optische Hilfsmittel ist es nur mit viel Erfahrung möglich, dieses abgeflogene Weibchen während seines kurzen Blütenbesuchs am Hornklee bis zur Art zu bestimmen. Der schlanke Körperbau, die weißen Endbinden der Tergite, der Blütenbesuch, die Flugzeit, der Fundort und die Kenntnis der regionalen Bienenfauna ließen mich in diesem Tier die Mauerbienenart Osmia leucomelana erkennen. Diese Art fliegt normalerweise bereits im Juni, aber die kühlen und regnerischen Tage der letzten Wochen haben seine Flugzeit verlängert. Ein Foto eines in einem Brombeerstengel angelegten Nestes ist auf dieser Seite zu finden.
An einer Ruderalstelle am südlichen Waldrand blühte der Klettenkerbel (Torilis japonica), auf dessen Dolden ich die drei Maskenbienenarten Hylaeus communis, Hylaeus confusus und Hylaeus styriacus fand.
Die Zahl der 2007 bislang am Waldrand nachgewiesenen Bienenarten beträgt 61.
Bei der Kontrolle des Hornklee-Bestands fiel mir auch ein Glasflügler auf, der sich ständig in diesem Bereich aufhielt, gelegentlich aber auf den Triebspitzen des Hornklees rastete. Hierbei gelang mir die folgende Aufnahme, die ein Weibchen des Hornklee-Glasflüglers, Bembecia ichneumoniformis ([Denis & Schiffermüller] 1775) zeigt. Da der unruhige Flug der Glasflügler dem vieler aculeater Hautflügler sehr ähnelt, glaubt man oft zunächst, eine Biene oder Wespe vor sich zu haben, bis ein zweiter Blick zeigt, um wen es sich sich tatsächlich handelt.
B. ichneumoniformis legt nach Bartsch et al. (1997) seine Eier einzeln an Blüten und Blätter des Hornklees und anderer Schmetterlingsblütler. Obwohl ich das hier abgebildete Weibchen längere Zeit im Auge behielt, konnte ich eine Eiablage leider nicht beobachten. Die Raupe lebt in einem meist im äußeren Wurzelbereich angelegten Fraßgang. Das Puppenlager wird oft im oberen Wurzelteil der Pflanze angelegt. Die Exuvien findet man daher später im Wurzelbereich zwischen den Stengeln.
Nach der Verbreitungskarte in Bartsch et al. (1997) wurde die Art in der näheren Umgebung von Tübingen noch nicht nachgewiesen. Laut der Monographie »Der Spitzberg bei Tübingen« (1966: 958) soll die Art allerdings 1922 von Stoll in Tübingen gefangen worden sein (hier unter dem Synonym Dipsosphecia ichneumoniformis F. aufgeführt). Für das TK25-Kartenblatt 7421, auf dem der Fundort dieses Exemplars liegt, ist dies jedenfalls der Erstnachweis.
Bartsch, D., Bettag, E, Bläsius, R. Blum, E., Kllies, A. Spatenka, K. & F. Weber (1997): Sesiidae (Glasflügler). S. 61-200 in: Ebert, G. (Hrsg.), Die Schmetterlinge Baden-Württembergs, Band 5, Nachtfalter III.
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