Der Lebenszyklus von Bombus lapidarius verläuft wie der anderer Hummelarten in den gemäßigten Breiten im wesentlichen folgendermaßen: Die Kolonien (englisch colony), auch Staaten oder Völker genannt, werden im Frühjahr von einzelnen überwinterten Weibchen (Königinnen) gegründet. Die ersten Arbeiterinnen werden von der Königin allein aufgezogen. Im Laufe der Vegetationsperiode werden unter deren Mithilfe weitere Bruten von Arbeiterinnen und auf dem Höhepunkt der Volkentwicklung (bei Bombus pratorum bereits im Juni, bei Bombus lapidarius erst im Hoch- und Spätsommer) neue Königinnen erzeugt. Zur gleichen Zeit entstehen auch die Männchen (Drohnen). Das Volk geht im Herbst zugrunde; nur die jungen, von den Drohnen begatteten Königinnen überwintern.
Bei den Hummeln gibt es also zwei Formen der Arbeitsteilung, die auch »Kasten« heißen:
Der Fachterminus für diese Art der sozialen Stufe ist „primitiv eusozial“ [weitere Infos zu diesem Begriff und seiner Definition auf dieser Seite] . Alle Individuen einer Kolonie stammen von einem einzigen Weibchen ab, das 12 bis 15 Monate lebt. In den gemäßigten Breiten haben die Hummelkolonien in der Regel nur eine Generation im Jahr. Während in unseren Breiten die Hummelvölker den Winter nicht überdauern, gibt es im Mittelmeerraum und mittlerweile auch in Südengland Völker, v. a. von Bombus terrestris, die milde Winter überdauern können, so daß man auch im Januar und Februar Arbeiterinnen bei der Nahrungssuche beobachten kann.
Im Frühling erscheinen junge, im Vorjahr begattete Weibchen. Diese sogenannten Königinnen haben die vergangenen 6–8 Monate in einem geschützten Versteck überwintert. Je nach Hummelart liegt die Erscheinungszeit zwischen Anfang März und Anfang Juli. Am frühesten treten Bombus terrestris und B. pratorum auf (Februar bis Mitte März), später erst erscheinen Bombus pascuorum, B. hortorum und B. sylvarum (Mitte April), ab Ende April bis Mitte Mai erst verlassen Bombus lapidarius und B. soroeensis ihr Winterquartier.
Eine Königin der Kleinen Waldhummel (Bombus pratorum) verköstigt sich mit Nektar an einer Blüte des Blaukissens (Aubrieta deltoidea).
Kaum aus dem „Winterschlaf“ erwacht, versorgt sich die Hummelkönigin mit Nektar und Pollen bereits aufgeblühter Frühlingsblumen nicht nur, um Flugenergie zu tanken, sondern auch zur Entwicklung ihrer Ovarien (Eierstöcke), die nach der Überwinterung noch klein sind. Bald beginnt sie, einen geeigneten Platz zur Nestanlage zu suchen, wofür sie unter Umständen zwei Wochen benötigt. In dieser Zeit sieht man sie oft entlang von Hecken, Mauern, Böschungen und Grabenrändern langsam über dem Boden fliegen und jede Höhlung inspizieren.
Hat die Königin einen ihr zusagenden Nistplatz gefunden, prägt sie sich diesen beim ersten Ausflug genau ein. Nach einem ausgedehnten Sammelflug (jedoch noch ohne Pollen) kommt sie ein bis zwei Tage später zurück und bleibt ohne weitere Ausflüge im Nest.
Nest der Kleinen Waldhummel (Bombus pratorum) wenige Tage nach der Nestgründung. Rechts steht der halb gefüllte Nektartopf, links daneben ist die Wachskammer mit den Larven im Innern zu sehen.
In der Nestmulde errichtet die Königin eine Brutzelle, indem sie auf den Boden aus den »Höschen« ihrer Hinterbeine den nektarfeuchten Pollenbrei abstreift und zu einem Pollenklumpen formt. Unweit des Eingangs baut die Königin einen fingerhutartigen »Honigtopf«. Dieser ist etwa 2 cm hoch, sein Durchmesser beträgt 1 cm. Er besteht aus Wachs, das aus Hautdrüsen zwischen den Bauch- und Rückensegmenten des Hinterleibs als Schüppchen ausgeschwitzt wird. Von ihrem ersten Sammelflug zurückgekehrt, erbricht die Königin den Nektar aus ihrem Kropf und füllt diesen Wachstopf als Nahrungsreserve für Schlechtwetterperioden. Honig nach Art der Honigbiene wird nicht produziert.
Die Errichtung der Brutzelle geht z. B. bei Bombus lapidarius, B. pascuorum und B. hortorum dem Bau des Nektartöpfchens voraus, beides kann aber auch gleichzeitig oder in umgekehrter Reihenfolge geschehen. Bei den meisten Arten dürfte der Nektartopf aber vor der Brutzelle gebaut werden. Auf den Futtervorrat legt die Königin 8–16 Eier. Nach der Eiablage überdeckt die Königin das ganze mit Wachs, das stark luftdurchlässig ist und sich daher zum Umhüllen der Larven eignet. Sie wärmt (»bebrütet«) nun die Eier, indem sie sich wie eine Bruthenne auf die Wachskammer setzt. Die Errichtung der nächsten Brutkammer mit Eiern erfolgt erst dann wieder, wenn die erste Brut sich bereits im Puppenstadium befindet.
In der ersten Brutzelle schlüpfen die Larven nach 3–5 Tagen und ernähren sich gemeinsam vom Pollenvorrat. Wenn dieser verbraucht ist, beißt die Königin das Wachsnäpfchen auf, versorgt die Larven mit nektarfeuchtem Pollen und verschließt die Brutkammer wieder. Dies wird unter Umständen mehrfach wiederholt. Die Königin selbst ernährt sich in dieser Zeit aus dem Vorrat des Nektartopfes. Das Nest verläßt sie nur wenige Male zum Nektar- und Pollensammeln. Die Larven wachsen in dem Brutnäpfchen heran, das nach und nach mit Wachs erweitert werden muß. Auf diese Weise entsteht ein blasiges Gebilde mit mehreren Erhebungen. Die Hummellarven befinden sich noch in einer gemeinsamen Kammer, beginnen sich aber im Alter von rund acht Tagen abzusondern. Jede Larve spinnt um sich selbst einen Seidenkokon und verpuppt sich darin. Nach dem Spinnen des Kokons entleeren die Larven ihren Darm, so daß der Kot innerhalb des Kokons liegt und nicht außerhalb wie bei anderen kokonspinnenden Bienenarten. Die Reste der Wachswand werden von der Königin abgenagt und weiter verwendet.
Jeweils mehrere Eier werden in weiteren Wachskammern abgelegt, die auf der Außenseite der Kokonhaufen errichtet werden. Rund drei Wochen nach der Nestgründung schlüpfen die ersten Arbeiterinnen aus ihren Kokons. Nach 1–2 Tagen sind sie trocken. Die Arbeiterinnen dieser ersten Brut sind aufgrund des geringen Nahrungsangebots im Gegenssatz zu den späteren Bruten oft sehr klein. Sie unterstützen dennoch die Königin bei ihrer Arbeit und übernehmen nach und nach sämtliche Sammeltätigkeiten, bauen Nektartöpfe, versorgen die heranwachsende Brut und verteidigen das Nest, legen aber im Normalfall keine Eier. Demnach tritt eine Arbeitsteilung ein. Wenige Tage nach dem Schlüpfen der ersten Arbeiterinnen fliegt die Königin normalerweise nicht mehr aus, sondern bleibt im Nest. Sie widmet sich nun ihrer Hauptaufgabe, der Eiablage. Auf den gelben Kokons werden weitere Wachszellen gebaut und mit Eiern gefüllt.
Geöffnete Wachszelle von Bombus hypnorum mit mehreren Eiern.
Junge Larven von Bombus hypnorum.
Was die Speicherung des Pollens im Nest betrifft, so kennt man drei Typen. Im ersten Fall wird der Pollen in die verlassenen, gereinigten und mit einem Wachsrand zylinderförmig verlängerten Kokons gefüllt. Diese Art der Pollenaufbewahrung findet sich überwiegend bei kurzrüssligen Hummelarten, für die Sladen (1912) den Begriff » pollen storer« (auf deutsch etwa: «Pollenaufbewahrer», »Topfmacher«) verwendet hat. Zu diesem Typ gehören z. B. Bombus lapidarius, B. terrestris, B. pratorum und B. soroeensis. Die heranwachsenden Larven werden durch Auswürgen von Futterbrei in den oberen Teil der Zelle versorgt. Das Futter wird den Vorratstöpfen entnommen. Die zweite Art der Pollenspeicherung besteht darin, daß der Pollen in separaten Wachsbehältern (Taschen) eingelagert wird, die unmittelbar an der Basis der Brutwaben errichtet werden. Diese Taschen sind zur Brutzelle hin offen, so daß die Larven den Pollen kontinuierlich daraus fressen können. Diese Form der Pollenspeicherung findet sich vorwiegend bei langrüssligen Hummelarten, die dementsprechend »pocket makers« (auf deutsch etwa: »Taschenmacher«) genannt werden. Diesem Typ werden Bombus pascuorum, B. hortorum, B. ruderarius, B. humilis und B. sylvarum zugerechnet. Bombus mendax gehört nach Haas (1976) keinem dieser beiden Typen an, sondern muß einer eigenen Gruppe zugerechnet werden, für die er den Begriff »Waben-Bauer« vorschlägt (da die entsprechende Arbeit in deutsch verfaßt ist, der englische Begriff hierfür wäre »honeycomb builders«). Bombus mendax weist nämlich im Aufbau des Nestes drei deutliche Bereiche auf: (1) das eigentliche Brutznest mit Eitönnchen, Larvenballen und Puppenkokons; (2) das Nektarnest aus 20–30 großen Nektartöpfen; (3) große, zylindrische, wächserne Pollentöpfe, die vom Brutnest getrennt sind.
Der Nektar wird im Verlauf der Volkentwicklung ebenfalls in ausgedienten Kokons gespeichert. Im Laufe des Sommers wachsen zunehmend individuenreichere Bruten von Arbeiterinnen heran, die aufgrund der besseren Ernährung größer sind als die der ersten Brut. Je nach Art und Entwicklungsbedingungen schwankt die größte Volksstärke zwischen 50 und 600 Individuen. Unterirdisch nistende Hummelarten haben im Flachland in der Regel zahlreiche Arbeiterinnen (z. B. Bombus lapidarius 300-400), während Arten wie Bombus pascuorum und B. pratorum meist nur 30–40 Arbeiterinnen haben. Die einzelne Arbeiterin lebt 6–12 Wochen und bleibt unbegattet.
Nest von Bombus lapidarius im Mai nach wenigen Wochen der Entwicklung.
Bombus lapidarius
Nest auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung (Ende Juni). Die dunkelbraunen blasigen Gebilde sind Wachskammern, in denen sich
die Larven entwickeln, die gelblichen sind Kokons mit Puppen. Dazwischen stehen
Vorratstöpfe
mit Nektar und Pollen. Bei den rechts im Bild auf den Kokons zu sehenden kleineren,
dunkelbraunen Gebilden handelt es sich um Wachszellen mit Eiern.
Bombus pascuorum
Nest auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung.
Die Erzeugung von Geschlechtstieren (Königinnen, Männchen) erfolgt erst auf dem Höhepunkt der Entwicklung eines Hummelvolkes, wenn viele Arbeiterinnen zur Verfügung stehen. Dieser Zeitpunkt hängt von dem Witterungsverlauf und von der Hummelart ab. Am frühesten (Ende Juni oder Anfang Juli) liegt er in »normalen« Jahren bei Gartenhummeln (Bombus hortorum), Wiesenhummeln (Bombus pratorum) und Baumhummeln (Bombus hypnorum). Die meisten Arten erreichen ihre größte Volksstärke im Juli/August, manche Arten wie die Ackerhummel (Bombus pascuorum) sogar erst im September oder Oktober. Die pro Kolonie annähernd gleiche Anzahl von Königinnen und Männchen ist von Art zu Art verschieden. Ein starkes Volk von Bombus lapidarius kann 90, ein solches von B. terrestris 120 Königinnen produzieren. Die Jungköniginnen werden als Nestgründerinnen des folgenden Jahres von Männchen, die aus unbefruchteten Eiern entstanden sind, begattet. Die Hauptflugzeit der Drohnen fällt bei den meisten Arten in die Monate Juli und August, bei B. pratorum bereits in den Juni. Nach dem Schlüpfen halten sie sich noch einige Tage im Nest auf, bevor sie dieses verlassen und meist nie mehr zu ihm zurückkehren. In bestimmten Fällen, z. B. wenn die Königin zugrunde ging, legen eine oder mehrere Arbeiterinnen Eier, aus denen sich aber immer Männchen entwickeln. Jungköniginnen beteiligen sich an verschiedenen Arbeiten im Nest. Die alte Königin und die Arbeiterinnen sterben ebenso wie die Drohnen im Verlauf der nächsten Wochen ab.
Bevor sich die Jungköniginnen ins Winterquartier begeben, füllen sie ihren Kropf mit Nektar. Sie suchen sich unter Moospolstern, in Streuhaufen oder unter Baumwurzeln ein geschütztes Versteck oder graben sich 5–20 cm tief in den Erdboden ein. Über die Überwinterungsplätze der verschiedenen Arten ist aber noch vergleichsweise wenig bekannt. Manche Autoren berichten u. a. von trockenen Böschungen und Abhängen, andere von morschen Baumstümpfen oder Stellen unter Moos und Laub. Im Rahmen einer in den 1960er Jahren in England durchgeführten Untersuchung wurden überwinternde Köngiginnen von Bombus lapidarius überwiegend in Böschungen und Abhängen gefunden, die gut drainiert, nordwestexponiert und vor direktem Sonnenlicht geschützt waren; nur wenige Königinnen fand man unter Bäumen (Alford 1969). Identische Überwinterungsorte stellte man bei Bombus hortorum fest, während B. terrestris, B. lucorum und B. pratorum meist in der Streu in der Nähe von Bäumen nachgewiesen wurden. Offensichtlich überwintern Jungköniginnen nicht in dem Nest, in dem sie sich entwickelt haben. Von solchen, die man in der Nähe eines alten Nestes fand, konnte nicht belegt werden, daß sie tatsächlich aus diesem Nest stammten.