An einem in den Boden geschlagenen Stab wurde ein dürrer Stengel der Königskerze mit Bindedraht befestigt. Entscheidend ist die vertikale Orientierung des Stengels, weil sich in markhaltigen Stengeln nistende Wildbienen bei der Suche nach einem geeigneten Nistplatz bevorzugt an mehr oder weniger vertikalen Strukturen orientieren. Sie werden gegenüber Brombeerranken, die mit ihrem Ende nach unten gerichtet sind, bevorzugt. Gebündelte Stengel werden von solchen Art nicht angenommen.
Stengel , der von der Dreizahn-Mauerbiene (Osmia tridentata) besiedelt ist. Der Nesteingang anderer Besiedler (Mauerbiene Osmia leucomelana oder verschiedene Grabwespen) sieht genauso aus; lediglich der Durchmesser ist geringer. Ohne eine direkte Beobachtung des Nestinhabers kann also nicht festgestellt werden, wer in dem Stengel nistet.
Die Bilder zeigen einen geöffneten Königskerzen-Stengel mit drei Zellen von Osmia tridentata mit jungen Larven und ein Weibchen beim Pollensammeln an der Wilden Platterbse (Lathyrus sylvestris).
Einige Wildbienen verwenden zum Nisten ausschließlich abgebrochene oder abgeschnittene, markhaltige, dürre Zweige bzw. Stengel von Brombeeren, Himbeeren, Heckenrosen, Königskerzen, Disteln, Kletten oder Beifuß. In dem weichen Pflanzenmark schaffen sie mit ihren Oberkiefern einen gangartigen Hohlraum für das Nest. Eine Bruch- bzw. Schnittstelle ermöglicht den Bienen einen leichteren Zugang. Nur die verhältnismäßig große Dreizahn-Mauerbiene (Osmia tridentata) ist in der Lage, seitlich ein Loch in die verholzte Stengelwand zu nagen. Es kommt also auf das Mark an, das vorhanden sein muß und das die Besiedler dieser speziellen Kleinstrukturen von reinen Hohlraumbesiedlern unterscheidet.
Bei Heckenrosen genügt es, mit der Rebschere die Enden dürrer Zweige abzuschneiden. Bei Brombeerhecken könnte man genauso verfahren. Gärtner empfehlen aber zur Verhütung von Krankheiten, nach der Ernte die alten Ranken ganz zu entfernen. Anstatt diese zu verbrennen, schneidet man sie in meterlange Stücke und entfernt die Stacheln mit einem scharfen Messer oder der Rebschere zur Vermeidung von Verletzungen. Dann stellt man sie an einem Stab befestigt frei im Garten auf oder befestigt sie an zwei zwischen zwei Pfosten gespannten Drähten. Der Abstand zwischen den Stengeln sollte 20 cm oder mehr betragen. Mit alten Himbeerruten kann man in gleicher Weise verfahren. Sie sind aber weniger dick als Brombeerranken und werden nur von kleinen Bienen oder Grabwespen genutzt.
Ältere Brombeerhecke mit dürren Ranken, Nistplatz u. a. von Maskenbienen (Hylaeus), Keulhornbienen (Ceratina), Mauerbienen (Osmia) und Löcherbienen (Heriades).
Auch abgeblühte Königskerzen (v. a. Verbascum densiflorum), Disteln (Carduus nutans, Cirsium vulgare) und der Gewöhnliche Beifuß (Artemisia campestris) lassen sich gut verwenden. Hier entfernt man nach der Samenreife Blätter und Seitentriebe, schneidet den Stengel über dem Boden ab und entfernt den Fruchtstand. Dicke Königskerzen-Stengel neigen aber zum Reißen. Um dies zu verhindern, nehme ich einen Draht und ziehe ihn um den Stengel herum fest zusammen. Distelstengel sind bei weitem nicht so stabil wie Brombeerstengel. An einem trockenen Ort über Winter aufbewahrt, werden die Stengel im kommenden Mai ausgebracht.
Dürre markhaltige Stengel in waaagrecht gelagerten Bündeln anzubieten, ist nicht sinnvoll, weil die Besiedler in der Natur sich vor allem mehr oder weniger vertikale, einzeln stehende Stengel oder aus einer Brombeerhecke herausschauende Ranken suchen. Nur auf den Boden zu legen wäre ebenso falsch, da die Verpilzungsgefahr durch die erhöhte Bodenfeuchtigkeit die Bienen vom Nisten abhalten würde. Nach der Besiedlung müssen die Stengel für ein weiteres Jahr im Freien bleiben, damit die Brut sich entwickeln und im kommenden Jahr schlüpfen kann. – Zweige des Schwarzen Holunders werden – wenn waagrecht plaziert – nach meiner Erfahrung nur in seltenen Fällen genutzt. Stellt man sie senkrecht auf, werden sie vereinzelt zwar besiedelt, es besteht aber die Gefahr des Reißens an der Schnittstelle.
Damit ein Königskerzenbestand als Nistplatz geeignet ist, muß der Standort vier Jahre lang unberührt bleiben, darf also nicht gemäht oder sonstwie beeinträchtigt werden. Im ersten Jahr bilden die Königskerzen eine Rosette, im zweiten Jahr blühen und fruchten sie und werden dürr. Erst im dritten Jahr werden sie von Wildbienen besiedelt, die erst im vierten Jahr schlüpfen!
Geöffneter Brombeerstengel mit 6 Zellen der Mauerbienenart Osmia leucomelana, in denen sich die Larven bereits in einem durchsichtigen Kokon eingesponnen haben. (Der Stengel war während des Nestbaus vertikal ausgerichtet!) Diese Bienenart tritt in meinem Garten regelmäßig auf.
Die meisten Stengelbewohner haben nur eine Generation im Jahr. Somit schlüpft die Nachkommenschaft erst zehn bis zwölf Monate nach der Bebauung und solange müssen diese Nisthilfen unverändert möglichst an Ort und Stelle belassen werden. Allerdings sind die besiedelten Stengel dann für diese Bienenarten unbrauchbar geworden. Gelegentlich werden die entstandenen Hohlräume anschließend von anderen Bienenarten als »Nachmieter« genutzt (z. B. Rostrote Mauerbiene, Osmia bicornis). Die geschlüpften Individuen der Markbewohner brauchen dann für die Erzeugung von Nachkommen allerdings neue unbesiedelte Stengel.
Weibchen von Osmia leucomelana sammelt Pollen im Blütenstand der Kamtschatka-Asienfetthenne (Phedimus kamtschaticus).
Zwei vertikal (!) an kleinen Metallstäben einzeln (!) angebrachte, dürre Brombeerstengel.
Auch einige Grabwespen (Pemphredon inornata, Passaloceus-Arten, Psenulus-Arten, Trypoxylon-Arten, Ectemnius rubicola), solitäre Faltenwespen (Gymnomerus laevipes) und Ameisen (Leptothorax acervorum, Leptothorax affinis) besiedeln markhaltige Stengel. Teilweise sind es »Nachmieter«, die die von anderen Stechimmen ausgehöhlen Stengel besiedeln.