Auf den Wacholderheiden der Schwäbischen Alb blüht jetzt der Frühlings-Enzian (Gentiana verna), stellenweise zu Tausenden. Nachdem ich schon in früheren Jahren versucht habe, mehr über die Blütenbesucher in Erfahrung zu bringen, habe ich heute viele hundert dieses blauen Frühlingblühers, der für die mit Schafen beweideten Kalk-Magerrasen so typisch ist, kontrolliert. Ich wollte feststellen, wer an der von mir aufgesuchten Heide als Besucher anzutreffen ist. Die Ergebnisse meiner Beobachtungen sind nachfolgend in Wort und Bild dargestellt.
Eine ausgedehnte Wacholderheide auf der Schwäbischen Alb im Naturraum »Mittlere Kuppenalb« in der Nähe von Münsingen. Die Hänge sind ausgesprochen mager, trocken und stellenweise von Kalkschutt bedeckt.
Für Wildbienen spielt der Frühlings-Enzian nur eine untergeordnete Rolle als Nahrungsquelle. Der Nektar ist tief verborgen und daher für kurzrüsselige Bienen nicht erreichbar. Meist treten daher nur Tagfalter und Hummeln als Nektarbesucher auf. Osmia bicolor (rechtes Bild) ist eine charakteristische Art der Kalk-Magerrasen der Schwäbischen Alb. Hier besucht das Weibchen, das durch seine schwarze und rote Färbung (Name!) leicht kenntlich ist, eine Blüte des Frühlings-Enzians, um sich mit Nektar zu versorgen. Da die Art zu den langzungigen Bienen gehört, ist der Nektar für sie erreichbar. Die Art nistet in leeren Schneckengehäusen.
Aufgrund des zeitigen und warmen Frühlings hat eine Königin von Bombus lapidarius (Steinhummel) schon vergleichsweise früh ihr Winterquartier verlassen und verköstigt sich zunächst an den Blüten des Frühlings-Enzians. Als langzungige Art kann sie den Nektar auf normalem Weg erreichen.
Bombus terrestris (Dunkle Erdhummel) gehört hingegen zu den kurzrüsseligen Hummeln. Daher beißt die Königin die Kronröhre des Frühlings-Enzians am Grunde auf, um so an den Nektar zu gelangen. Diese Art war die vergleichsweise häufigste Besucherin dieses Enzians. - Außer den beiden abgebildeten Hummelarten habe ich auch noch vereinzelt Bombus hortorum (Garten-Hummel) und Bombus pratorum (Kleine Waldhummel) beim Nektarbesuch beobachtet.
Enziane werden von polylektischen Bienenarten gelegentlich auch zum Pollensammeln beflogen. Bisher konnte ich nur einmal für eine Art der Gattung Andrena das Pollensammeln an Gentiana verna nachweisen. Dabei hat es sich um Andrena fulvata gehandelt und der Nachweis erfolgte aufgrund einer Analyse der Pollenladung. Nun gelang mir heute ein weiterer Beleg: Andrena flavipes hat, wie die beiden obigen Fotos zeigen, bereits zahlreiche Frühlings-Enzian-Blüten besucht und ihre Transporteinrichtungen mit dem dunkelgelben Pollen gefüllt. Aufgrund des eindeutigen Sammelverhaltens und der identischen Farbe von Gentiana-verna-Pollen und der Farbe der Pollenladung habe ich auf einen Fang und anschließende mikroskopische Pollenanalyse verzichtet. Als einzige weitere Pollenquelle wäre im Gebiet nur noch das Frühlings-Fingerkraut (Potentilla verna) in Frage gekommen, doch konnte ich das Weibchen weder an dieser Pflanze beobachten, noch stimmt die Farbe des Fingerkraut-Pollens mit der des Frühlings-Enzian-Pollens überein. Andrena flavipes ist eine ausgesprochen polylektische Art. (Zur Definition von Polylektie siehe hier.) Bisher konnte ich Vertreter von 17 Pflanzenfamilien als Pollenquellen nachweisen (Westrich 1990). Mit dem Pollensammeln an Gentiana verna kommt die 18. Pflanzenfamilie (Gentianaceae, Enziangewächse) hinzu.
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