Die Eulophiden, die zur Überfamilie der Erzwespen (Chalcidoidea) gehören, sind meist winzig kleine Arten, die Eier, Larven und Puppen verschiedenster Insektenordnungen parasitieren, teilweise als Parasiten 2. oder 3. Grades. Der Wirt wird durch Anstechen oft mehr oder weniger gelähmt. Von den 13 bislang beschriebenen, aber taxonomisch umstrittenen Arten der Gattung Melittobia ist besonders Melittobia acasta Walker besonders bemerkenswert, weil diese Art bei einer Reihe von Hautflüglerfamilien als Raubparasit auftritt (Blattwespen, Grabwespen, Faltenwespen, Bienen). Sie ist die einzige in Europa vorkommende, hier weitverbreitete und häufige Art der Gattung.
Vor allem in Laborzuchten kann diese, durch ihre Winzigkeit leicht zu übersehende Art verheerenden Schaden anrichten. Wird sie entdeckt, ist es meist zu spät. Nester und Brutzellen der zu untersuchenden Bienenarten müssen daher möglichst einzeln und für Melittobia unzugänglich aufbewahrt werden. Ich verwende dazu dicke, gut zu verschließende Kunststoffdosen. Die Weibchen haben nämlich besonders kräftige Mandibeln, mit denen sie sogar in den Kunststoffdeckel von sogenannten »Schnappdeckelgläschen« ein Loch nagen können.
Vier langflügelige, schwarze Weibchen und ein braunes Männchen (rechts), das sich nicht nur durch Stummelflügel, sondern auch durch einen stark verbreiterten Fühlerschaft auszeichnet. Die Körpergröße beträgt kaum mehr als 1 mm. Sie haben sich in meinem Labor in einem Bambusröhrchen auf einer Puppe der Hahnenfuß-Scherenbiene, Chelostoma florisomne, entwickelt.
Ein langflügeliges Melittobia-Weibchen in einer Zelle der Hahnenfuß-Scherenbiene (Chelostoma florisomne), auf deren Ruhelarve es zahlreiche Eier abgelegt hat.
Larven und junge Puppen von Melittobia acasta im Kokon der in markhaltigen Stengeln nistenden Dreizahn-Mauerbiene (Osmia tridentata).
In ihrer Entwicklung bereits weit fortgeschrittene, teils vor dem Schlüpfen stehende Puppen von Melittobia acasta in der Zelle von Chelostoma florisomne, deren Puppe als Wirt diente.
Die unbegatteten Weibchen lassen sich entweder in einer Brutzelle von der Wirtsbiene einmauern oder sie nagen ein stecknadelkopfgroßes Loch in den Wirtskokon. Wenn ein geeigneter Wirt vorhanden ist bzw. sich entwickelt hat, begeben sie sich auf das Wirtstier (Larve, junge Puppe), lähmen es mit einem Stich und legen dann 10–36 Eier darauf ab, in der Regel in kleinen Häufchen. Da die Eier klebrig sind, haften sie gut am Wirt oder an anderen Eiern. Aus ihnen entwickeln sich nur Männchen, die keinerlei Nahrung zu sich nehmen. Die Weibchen führen zu ihrer Ernährung ihren Ovipositor (Eilegeapparat) in den Körper des Wirtes ein, ziehen ihn dann wieder zurück und saugen die Flüssigkeit auf, die aus der Einstichöffnung tritt. Nach der Begattung durch seine eigenen Söhne legt das Weibchen im Verlaufe von 3 Monaten über 3 000 Eier. Die frisch geschlüpften Melittobia-Larven fressen den Wirt nach und nach auf. Weit über 100 Tiere können sich z.B. in einem einzigen Kokon einer Mauerbiene (Osmia) entwickeln. In Linienbauten nagen sich die Weibchen durch die Zwischenwände hindurch in Nachbarzellen und können so ganze Nester befallen. Pro Jahr können 6–8 Generationen erzeugt werden. Es gibt lang- und kurzflügelige Weibchen, wobei letztere nur rund 1–2% aller produzierten Weibchen ausmachen. Nach neueren Untersuchungen liefern sich die Männchen untereinander tödliche Rivalenkämpfe, um Zugang zu einem Weibchen zu bekommen.
Balfour-Browne, F. (1922): On the life-history of Melittobia acasta Walk., a chalcid parasite of bees and wasps. – Parasitology, 14: 349–370.
González, J. M., Terán, J. B., Matthews, R. W. (2004): Review of the biology of Melittobia acasta (Walker) (Hymenoptera: Eulophidae) and additions on development and sex ratio of the species. – Caribbean Journal of Science, Vol. 40, No. 1, 52–61.
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Malyshev, S.I. (1968): Genesis of the Hymenoptera and
the phases of their evolution. – 319 S., London (Methuen)
Reece, S. E., Innocenta, T. M. & West, S. A. (2007): Lethal male–male combat in the parasitoid Melittobia acasta: are size and competitive environment important? – Animal Behaviour, 74: 1163-1169.