Heute habe ich eine noch im Abbau befindliche Kiesgrube im Neckartal westlich von Tübingen aufgesucht. Während des Winters wurde leider in weiten Bereichen der Kiesgrube gebaggert, wodurch sehr gut besiedelte Nistplätze der großen Furchenbienenarten Halictus sexcinctus und Halictus scabiosae vollkommen vernichtet wurden. Die kommenden Wochen werden zeigen, wieviele Weibchen dieser Arten überlebt haben und ob geeignete Stellen neu besiedelt werden. Zwar profitieren diese Arten von dynamischen Prozessen, also auch von der Schaffung von offenen Böschungen und Steilwänden durch den Menschen, allerdings müssen die Populationen groß genug sein und die Nistplätze im Raum so verteilt sein, daß nicht alle Nistplätze auf einmal zerstört werden und somit Neubesiedlungen durch Insassen intakter Nester überhaupt möglich sind.
Im oberen Teil dieser Böschung, wo über dem Kies eine sandig-lehmige Deckschicht liegt, nistet in Anzahl Colletes cunicularius (Frühlings-Seidenbiene). Die dürren Königskerzenstengel zeigen, daß die Böschung bereits seit mindestens zwei Jahren besteht. Leider gibt es für den gesamten Kiesgsrubenbereich keine Naturschutzplanung, was den terrestrischen Bereich angeht, und dieser ist für die hier siedelnden Wildbienen besonders wichtig, weil es im Umfeld keine artspezifischen Lebensräume gibt. Von dieser Situation betroffen ist auch die hier bisher (noch) alljährlich brütende Uferschwalbe.
Die Männchen von Colletes cunicularius haben einen schlankeren Körper und längere Antennen. Sie sind meist auch etwas kleiner als ihre Weibchen. Sie schlüpfen bereits einige Tage vor den Weibchen. Bald nach der Paarung sterben sie. Rechts ein Männchen in Frontalansicht.
Ein frisch geschlüpfes Weibchen von Colletes cunicularius hat gerade begonnen, einen Gang für das Nest in der Böschung zu graben. Dabei scharrt es mit den Beinen das losgelöste Erdmaterial unter sich nach hinten. Dann wird es zu den Strauch- und Baumweiden entlang des Neckars fliegen, um Pollen zu sammeln. Weiden (Salix) sind die Hauptpollenquellen dieser in Südwestdeutschland vor allem in Flussauen verbreiteten Art. Außer Weiden werden auch Ahorne (Acer) und Vertreter weiterer Pflanzenfamilien genutzt.
Die Buckelbienenart Sphecodes albilabris ist der charakteristische Gegenspieler von Colletes cunicularius. Zwei Weibchen dieser Kuckucksbiene flogen auf der Böschung, stets auf der Suche nach Nestern. Die Weibchen des Wirtes hatten allerdings noch nicht mit der Verproviantierung der Brutzellen begonnen. Nur die Weibchen von Sphecodes albilabris überwintern, die Männchen erscheinen im Hochsommer zusammen mit Weibchen der nächsten Generation.
Copyright © 2005-2023 Paul Westrich
Website designed by Paul Westrich