Heute morgen um 9.15h konnte ich in meinem Garten in Kusterdingen ein Weibchen von Anthidium manicatum beobachten, das an Hieracium maculatum Geflecktes Habichtskraut) das Sekret sammelte, das die unzähligen Drüsenhaare (Trichome) vor allem auf den Hüllblättern der Köpfchen absondern. Im Jahr 1996 haben Müller et al. dieses außergewöhnliche Verhalten erstmals beschrieben (Literaturzitat siehe weiter unten). Es tritt ausschließlich im Zusammenhang mit dem Bau des Nestes auf, das bei Anthidium manicatum ganz aus Pflanzenhaaren besteht, die von den Baustofflieferanten durch Abschaben gewonnen werden (siehe diesen Steckbrief von Anthidium manicatum). In der Publikation finden sich neben rasterelektonischen Fotos der speziellen Haarstrukturen am ersten Tarsus (Fußglied) aller Beine auch zwei Fotos eines Weibchens, von denen eines mit gefüllten Tarsenbürsten auf seinem Nest sitzt, während das zweite Weibchen, dessen Tarsenbürste leer ist, bereits eine Brutzelle versorgt. Die unmittelbare Beobachtung des Übertragens des gesammelten Sekrets auf das Nest war durch eine Nisthilfe möglich, die auf einer Seite mit einer Glasscheibe versehen war. Die Autoren liefern allerdings kein Foto des Sekretsammelns, obwohl sie diese Tätigkeit im Botanischen Garten Zürich mehrfach beobachtet haben. Die Fotos dieser Seite sollen die bemerkenswerten Angaben und Abbildungen von Müller et al. nicht nur ergänzen, sondern auch bestätigen.
Während der etwa 5 Minuten dauernden Sammelaktion an dem Habichtskraut-Exemplar flog das Weibchen nach und nach die einzelnen Knospen und erst teilweise geöffneten Blütenköpfchen an und betastete die Drüsenhaare mit seinen Tarsenbürsten.
Müller et al. konnten Anthidium manicatum beim Sammeln an Pelargonium (Geranicaceae), Anthirrhinum braun-blanquetii (Plantaginaceae) und an Crepis capillaris (Asteraceae) feststellen. Mit Hieracium maculatum, das mit Crepis capillaris nah verwandt ist, kommt eine weitere Sekretquelle hinzu. Zweifellos dürften innerhalb der Cichorieen, insbesondere innerhalb der Gattungen Hieracium und Crepis noch weitere Arten dementsprechend genutzt werden. Vermutlich dienen aber außer den bislang bekannt gewordenen auch noch andere Pflanzenarten, die entsprechende Drüsenhaare besitzen, als Lieferanten des Sekrets.
Teil eines bereits 1985 in Tübingen gefundenen Nestes von Anthidium manicatum mit Sekrettröpfchen, die hier orange sind. Das Sekret wird wahrscheinlich von der speziellen Behaarung durch Kapillarkräfte absorbiert. Ob die Wollbiene zusätzlich eigene Drüsensekrete hinzufügt, ist nicht bekannt.
Welche Funktion hat das Aufbringen der Sekrete auf das Nest? Müller et al. stellen die Hypothese auf, daß die pflanzlichen Drüsensekrete auf der Nestwolle dazu dienen, das Nest gegen eindringendes Wasser zu schützen, ein Befall des Larvenproviants oder der Larven durch Mikroben zu verhindern und/oder Nesträuber abzuhalten. Darüber hinaus könnte das Sekret auch helfen, die Pflanzenhaare gleichsam zu verkleben. Ca. 30 Anthidium-Arten der Westpaläarktis besitzen die speziellen Haarstrukturen, die ihnen das Sammeln von Sekreten erlauben. Allerdings gibt es auch Arten in dieser Großgattung, die ebenfalls ihre Brutzellen mit Pflanzenhaaren bauen, aber nicht mit speziellen Tarsenbürsten ausgestattet sind. Dies zeigt, daß die Verwendung von Pflanzenhaaren zum Nestbau nicht notwendigerweise mit einer Imprägnierung des Nestes mit Sekreten verknüpft ist.
Müller, A., Töpfl, W. & F. Amiet (1996): Collection of Extrafloral Trichome Secretions for Nest Wool Impregnation in the Solitary Bee Anthidium manicatum. Naturwissenschaften 83: 230-232.
Dieser Steckbrief liefert weitere Details über Anthidium manicatum.
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