Neben den artenreichen Insektenordnungen der Käfer (Coleoptera) und Fliegen (Diptera) gibt es auch die ebenfalls ausgesprochen artenreiche Insektenordnung der Hautflügler (Hymenoptera), zu der alles gehört, was wir als »Wespen« bezeichnen. Umgangssprachlich werden unter »Wespen« in der Regel allerdings vor allem die beiden staatenbildenden Faltenwespen Deutsche Wespe (Vespula germanica) und Gewöhnliche Wespe (Vespula vulgaris) verstanden (Ich nenne diese in meinen Vorträgen gerne »Zwetschgenkuchenwespen«). Tatsächlich ist der Begriff »Wespe« aber in den Bezeichnungen vieler Verwandschaftsgruppen der Hautflügler enthalten. So kennen wir u. a. Blattwespen, Schlupfwespen, Erzwespen, Goldwespen und Wegwespen. Die Verwandschaft zeigt sich auch in dem Begriff »Blumenwespen«, mit dem die Bienen früher einmal bezeichnet wurden (Friese 1923). Der Begriff »Wespe« ist also in taxonomischer Hinsicht (zum Begriff der Taxonomie >) nicht eindeutig.
Die Ordnung der Hymenoptera enthält zwei Unterordnungen: die Symphyta (Pflanzenwespen) und die Apocrita (Taillenwespen). Die Apocrita wiederum werden unterteilt in Terebrantes (Legeimmen) und Aculeata (Stechimmen). Zu den Legeimmen gehören u. a. die durchweg parasitisch lebenden Schlupfwespen und Erzwespen. Die Ablage des Eis erfolgt bei ihnen mit Hilfe eines Legebohrers (Name!). Stechimmen hingegen haben einen Giftstachel, der zur Lähmung von Beutetieren und/oder zur Verteidigung (Wehrstachel) eingesetzt wird.
Zu den Aculeata im engeren Sinn gehört die Überfamilie Apoidea (früher unter dem Namen Sphecoidea). Die Apoidea werden nach Michener (2007) in zwei Gruppen eingeteilt: die Grabwespen (Spheciformes) und die Bienen (Apiformes). Ältere Autoren verwendeten für die Bienen auch den Begriff Anthophila, der durch Engel (2005) wiederbelebt wurde und auf die Beziehung der Bienen zu Blüten (griechisch anthos = Blüte, philos = Freund) verweist. Ich habe ihn auch als Gruppenname in meinem neuen Buch (Westrich 2018) verwendet. Da diese Namen nicht den Regeln der zoologischen Nomenklatur unterliegen, entschied sich Michener (2007) für den Namen Apiformes als Gegenstück zu Spheciformes. Früher hat man alle Grabwespen einer einzigen Familie Sphecidae zugeordnet. Zuletzt wurden sie in die drei Familien Ampulicidae, Sphecidae und Crabronidae unterteilt (Ohl & Bleidorn 2006). Neuere molekularbiologische Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Crabronidae im bisherigen Verständnis nicht monophyletisch sind. Das Ergebnis einer Neubewertung ist eine Aufspaltung der Grabwespen i. w. S. (apoid wasps) in zehn Familien (Sann et al. 2018). Die Bienen der Welt werden von Michener (2007) in sieben Familien unterteilt: Stenotritidae (nur in Australien vertreten), Colletidae, Andrenidae, Halictidae, Melittidae, Megachilidae und Apidae. Ordnet man den Bienen nur den Rang einer Familie Apidae zu, erhalten die Familien Micheners den Rang einer Unterfamilie: Stenotritinae, Colletinae, Andreninae, Halictinae, Melittinae, Megachilinae und Apinae.
Bei oberflächlicher Betrachtung können Grabwespen (hier Fliegenspießwespe Oxybelus uniglumis) mit Bienen verwechselt werden, vor allem, wenn sie gleich groß und unbehaart sind.
Weltweit gibt es vermutlich weit über 20 000 Arten. Die mittlere Körperlänge liegt bei weniger als 10 mm. Eine der kleinsten Arten ist die in Südamerika beheimatete Stachellose Biene Trigona duckei mit nur 1,5 mm Länge. Die mit 39 mm größte dürfte Megachile pluto sein, die in Indonesien vorkommt und in jüngster Zeit wiederentdeckt wurde, nachdem sie lange Zeit verschollen war.
Weitere Merkmale der Bienen sind:
Dathe, H. H. (2003): 31. Ordnung Hymenoptera, Hautflügler. S. 585-651 in: Dathe, H. H. (Hrsg.) Lehrbuch der Speziellen Zoologie. Band I: Wirbellose Tiere. 5. Teil: Insecta. Heidelberg, Berlin (Spektrum Akademischer Verlag).
Gauld, I. & Bolton, B. (1988):The Hymenoptera. 332 S., New York (Oxford University Press).
Melo, G. A R. (1999): Phylogenetic relationships and classification of the major lineages of Apoidea (Hymenoptera), with emphasis on the crabronid wasps. - Sci. Pap. Nat. Hist. Mus. Univ. Kansas, 14: 1-55.
Michener, C. D. (2007): The Bees of the World. The John Hopkins University Press. Baltimore and London.
Ohl, M. & Bleidorn, C. (2006): The phylogenetic position of the enigmatic wasp familiy Heterogynaidae based on molecular data, with description of a new, nocturnal species (Hym.: Apoidea). - Syst. Ent., 31 (2): 321-337.
Sann, M., Niehuis, O., Peters, R.R., Mayer, C., Kozlov, A., Podsiadlowski, L., Bank, S., Meusemann, K., Misof, B., Bleidorn, C. & Ohl, M. (2018): Phylogenomic analysis of Apoidea sheds new light on the sister group of bees. - BMC Evolutionary Biology 18: 71 (https://doi.org/10.1186/s12862-018-1155-8).
Für die Bestimmung der heimischen Wespen empfehle ich das Buch von R. Witt (2009), Wespen. 2. Aufl., 400 S., Vademecum-Verlag (Oldenburg).
Die Hornisse (Vespa crabro) ist die größte heimische staatenbildende Faltenwespe (Familie Vespidae), hier eine Frontalansicht der Königin.
Discoelius dufourii, hier ein Männchen, ist ein Vertreter der solitären Faltenwespen (Unterfamilie Eumeninae). Die Art nistet in morschem Holz oder in markhaltigen Pflanzenstengeln und trägt Kleinschmetterlingsraupen als Larvennahrung ein.
Die sehr seltene Pollenwespe (Celonites abbreviatus) versorgt ihre Brut nicht mit tierischer Nahrung, sondern mit Pollen und Nektar von Lippenblütlern (Lamiaceae). Hier besucht ein Weibchen eine Blüte des Berg-Gamanders (Teucrium montanum). Die Art gehört innerhalb der Vespidae zur Unterfamilie Masarinae.
Ammophila sabulosa gehört zu den Langstiel-Grabwespen (Sphecidae). Das Weibchen trägt unbehaarte Eulenraupen als Beutetiere ein.
Die Sand-Knotenwespe (Cerceris arenaria) gehört zu den Echten Grabwespen (Crabronidae). Sie ist ein Beutejäger und trägt Rüsselkäfer (Curculionidae) als Larvennahrung in die Brutzellen ein.
Monophyletische Arten bilden eine natürliche Abstammungsgemeinschaft mit einem gemeinsamen Ahnen. Das Taxon (Gruppe) hat also eine gemeinsame Stammform. Das Monophylum basiert auf Apomorphien der gemeinsamen Stammform, das sind abgeleitete Merkmale, d. h. evolutive Neuheiten, die eine Stammart erworben und an ihre Nachkommen weitergegeben hat. [Konzept der Kladistik nach Willi Hennig, 1966, Phylogenetic Systematics]