Solitär lebende Bienen, auch Einsiedlerbienen genannt, bauen ihre Nester und versorgen ihre Brut ohne Mithilfe von Artgenossen. Daher gibt es bei ihnen auch keine Arbeitsteilung und kein Speichern von Vorräten wie bei Hummeln und Honigbienen. Jedes Nest enthält also nur ein Weibchen, das im Laufe seines vier- bis achtwöchigen Lebens ganz allein 4–30 Brutzellen baut und versorgt. Stets wird eine Zelle fertiggestellt, bevor mit der nächsten begonnen wird. Sie wird mit Larvenproviant, einer Mischung aus Pollen und Nektar, gefüllt. Dann wird ein Ei abgelegt, meist direkt auf den Futtervorrat, und die Zelle wird verschlossen. In der Zelle befindet sich genügend Futter für das gesamte Wachstum der Larve, die es in 3–4 Wochen verzehrt und sich dann über das Puppenstadium bis zur fertigen Biene weiterentwickelt oder zuvor eine mehrmonatige Pause (Diapause) in der Entwicklung einlegt. Larve oder die entwickelte Biene kommt daher normalerweise nie in Kontakt mit ihrer Mutter. Normalerweise stirbt nämlich das Weibchen, bevor seine Nachkommenschaft voll entwickelt ist und Wochen oder Monate später schlüpft. Es gibt also keinen Kontakt zwischen den beiden Generationen. Die meisten heimischen solitär lebenden Bienenarten haben einen einjährigen Lebenszyklus und nur eine Generation pro Jahr.
Eine der auffälligsten Wildbienen, die wir hier im Frühling beobachten können, ist die Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta). Während bei den hummelartigen Weibchen (12–16 mm) der Körper tiefschwarz und der Hinterleib rostrot bepelzt sind, kann man die etwas kleineren Männchen leicht an ihrer weiβen Gesichtsbehaarung erkennen. Nur die Weibchen haben am Vorderkopf zwei kleine, zwischen den Haaren versteckte Hörnchen. In Deutschland ist die Art weit verbreitet, allerdings ist sie in Süd- und Mitteldeutschland deutlich häufiger als im Norden. Die Höhenstufe von 500 m üNN überschreitet sie nur vereinzelt.
Da die Art ein mildes und blumenreiches Frühjahr liebt, kommt sie fast ausschlieβlich im Siedlungsbereich vor, wo das dort herrschende Kleinklima und das meist reiche Angebot an frühblühenden Pflanzen ihren Ansprüchen entgegenkommt. Man findet sie sogar in den Zentren der Groβstädte (z.B. Stuttgarter City), wo sie an sonnigen Tagen oft in gröβerer Zahl die Primeln und Hyazinthen vor den Blumengeschäften oder auf dem Wochenmarkt umschwärmt. Leider werden immer wieder Tiere zertreten, wenn sie auf den Gehwegen sitzen.
Die Männchen, die schon einige Tage vor den Weibchen aus den vorjährigen Nestern schlüpfen, erscheinen im März. In manchen Jahr sind die ersten Männchen bereits Ende Februar zu beobachten. Sie nutzen u.a. die Schneeheide (Erica carnea) als erste Nektarquelle.
Aber auch gelbe und lila Krokusse (Crocus) werden eifrig beflogen.
Die Weibchen beginnen nach der Paarung schon im März oder Anfang bis Mitte April mit dem Nestbau. Ihre Flugzeit endet in der Regel Mitte Mai, so daß ihnen 4–6 Wochen für die Erzeugung von Nachkommen bleibt. Die Männchen beteiligen sich nie am Brutgeschäft.
Gehörnte Mauerbiene zu Beginn der Paarung Ende März: Männchen (oben, mit typisch weißer Gesichtsbehaarung) und Weibchen (unten, mit zwei Hörnchen auf dem Kopfschild). Die eigentliche Paarung erfolgt erst, nachdem das Männchen das Weibchen 1–2 Stunden festgehalten hat.
Die Weibchen suchen überwiegend an groβflächigen Strukturen wie Häuserwänden oder Mauern nach geeigneten Nistmöglichkeiten. Ihr Nest bauen sie in vorhandenen Hohlräumen verschiedenster Art, z.B. in Mauerritzen, in Löchern im Verputz, in Abflußröhrchen von Rolläden und in Ritzen von Fensterrahmen, stellenweise auch in Vertiefungen von Mauersteinen. Osmia cornuta nimmt sehr gerne künstliche Nisthilfen an. Niströhren, in denen sich bereits Nester befanden, werden nur selten und nur dann noch einmal genutzt, wenn akuter Nistplatzmangel oder ein starker Konkurrenzdruck zwischen den Weibchen herrscht. Die Weibchen werden nur sehr selten beim Reinigen alter Nester beobachet. Reste eines alten Nestes (Baumaterial, Kokonreste) werden mit dem Kopf lediglich nach hinten geschoben, so daß der restliche zur Verfügung stehende Raum kleiner ist als bei einem noch unbesiedelten Gang. Deshalb empfehle ich, immer wieder frische röhrenförmige Hohlräume anzubieten, was am leichtesten in Form von Bambusrohr oder von Bohrungen von 7–9 mm Durchmesser in trockenem Holz möglich ist [Verschiedene Möglichkeiten der Ansiedlung und Förderung sind auf diesen Seiten beschrieben.]. Wo die Art in wärmeren Lagen auch auβerhalb von Ortschaften vorkommt, besiedelt sie sonnenexponierte Löβ- und Lehmwände oder Fluβuferabbrüche, wo sie in alten Brutzellen von Pelzbienen (Anthophora plumipes) nistet. Dies entspricht auch dem urspünglichen natürlichen Nistplatz der Art.
Im Gegensatz zu den staatenbildenden Honigbienen, Hummeln und manchen Schmalbienen hat die Gehörnte Mauerbiene eine solitäre Lebensweise. Jedes Weibchen baut sein eigenes Nest und versorgt seine Brut ohne Mithilfe von Artgenossen. Allerdings können viele Weibchen unter günstigen Bedingungen dicht beieinander nisten. Schon früh am Morgen und bereits bei Lufttemperaturen von 10 °C beginnen die Weibchen mit ihrer Brutfürsorge, bauen in dem gewählten Hohlraum die Rückwand einer Brutzelle, füllen diese mit einem Pollen-Nektar-Gemisch, legen daran anschlieβend ein Ei und verschlieβen die Zelle mit einer Querwand. Einen Tag benötigt das Weibchen für eine Brutzelle, um die es sich dann nicht weiter kümmert. Damit ist die Brutfürsorge für einen Nachkommen abgeschlossen.
Nach dem Verzehren des Futters spinnt die Larve einen Kokon, in dem sie sich verpuppt und sich noch im Sommer zur adulten Biene entwickelt. Herbst und Winter werden als Vollinsekt (Imago) überdauert. Wenn die Außentemperaturen im kommenden Frühling wärmer werden und die innere Uhr sie »aufweckt«, verlassen zuerst die Männchen das Nest, indem sie Kokon und Querwände und das zuerst schlüpfende Männchen den Nestverschluß aufgenagt haben. Einige Tage später schlüpfen aus den hinteren, im Vorjahr zuerst gebauten Brutzellen auch die Weibchen. Die Gehörnte Mauerbiene hat somit einen einjährigen Lebenszyklus und nur eine Generation pro Jahr. Den größten Teil des Jahres vollzieht sich die Entwicklung vom Ei bis zum Vollinsekt im Nest, vor unseren Augen verborgen.
In den Städten schlüpfen diese Mauerbienen meist gleichzeitig mit dem Aufblühen des Nickenden Blausterns (Scilla siberica), dessen Blüten sie eifrig des Nektars wegen besuchen. Sobald die Weibchen mit dem Nestbau begonnen haben, nutzen diese für wenige Tage den blauen Scilla-Pollen für die Versorgung der Brutzellen, bevor sie sich den Sal-Weiden und Zierkirschen als Pollenquelle zuwenden.