Heute habe ich den Weinbergen bei Wendelsheim (Rottenburg am Neckar) einen Besuch abgestattet. Trotz des wechselhaften Wetters waren einige Wildbienen aktiv, zumindest in den sonnigen Abschnitten. Um die Mittagszeit kam ich an eine Trockenmauer, die mit der Kaukasus-Asienfetthenne (Phedimus spurius = Sedium spurium) bewachsen war. Diese weitverbreitete Kleinstaude ist ein wintergrüner Bodendecker, der auch als anspruchslose Einfassungspflanze sehr geschätzt wird.
Trockenmauer in den Weinbergen bei Rottenburg-Wendelsheim. Links unten: Blütenstand von Phedimus spurius.
Als ich mir die Blüten näher anschaute – einige Hummeln der Arten Bombus sylvarum, Bombus pascuorum, Bombus humilis und Bombus lucorum hatten meine Aufmerksamkeit erregt – sah ich auch einige besonders kleine Wildbienen-Arten. Innerhalb einer Stunde konnte ich 5 Arten dieser Winzlinge feststellen, die ich nachfolgend vorstellen möchte.
Ein Weibchen der nur 5 mm großen Schmalbienen-Art Lasioglossum morio. Der dunkelgelbe Pollen in den Haarbürsten der Schmalbiene verrät, daß dieses Bienchen vorher an einer anderen Pflanze (vermutlich an einem Korbblütler) Pollen gesammelt hat, denn der Pollen der Fetthenne ist hellgelb. Aber das Weibchen setzte seinen Sammelflug fort, indem es nun an den Blütchen der Fetthenne seine Transporteinrichtungen weiter befüllte.
Das 6 mm große Weibchen von Lasioglossum nitidulum, das in den lehmgefüllten Fugen der Weinbergsmauern nistet, ist etwas größer als Lasioglossum morio und ganz grün gefärbt, doch wirkt sein Grün metallischer. Vor allem der Hinterleib ist deutlich grün, während der von Lasioglossum morio eher bräunlich ist. Die hellgelbe Pollenfarbe zeigt uns, daß dieses Weibchen bereits reichlich Fetthennen-Pollen gesammelt hat.
Das 6 mm große Männchen von Lasioglossum nitidulum ist viel schlanker als das Weibchen. Die Antennen sind mit 13 Geißelgliedern länger als die des Weibchens (12!). Es besucht die Phedimus-Blüten, um Nektar zu trinken.
Nur 4 mm groß ist das Weibchen der recht seltenen Schmalbienenart Lasioglossum glabriusculum. Auch bei diesem Tier zeigt uns die hellgelbe Farbe die Herkunft des Pollens an, nämlich Phedimus spurius. Nach meinen bisherigen Beobachtungen scheint die Art polylektisch, also hinsichtlich des Pollensammelns nicht spezialisiert zu sein. Die Nester werden an schütter bewachsenen Stellen auf ebenen oder schwach geneigten Flächen angelegt. Die Art ist sozial. Mehrere Jungköniginnen gründen gemeinsam ein Volk und erzeugen eine Generation von Arbeiterinnen.
Auf diesem Foto ist ein charakteristisches Merkmal des Weibchens von Lasioglossum glabriusculum zu sehen: Der Kopf ist vergleichsweise dick und das Gesicht mehr oder weniger quadratisch.
Ebenfalls ein Winzling ist das 4,5 mm große Männchen der Maskenbienenart Hylaeus leptocephalus. Es zeichnet sich durch eine weiße Gesichtszeichnung mit unsymmetrisch abgeschnürten »Knöpfen« am stirnnahen Teil der Zeichnung aus. Auch das Weibchen dieser Art war an den Blüten zu sehen.
6–7 mm groß ist das Weibchen der häufigen Sandbienenart Andrena minutula. Dieses Bild zeigt schön die farbliche Übereinstimmung des Pollens in den Staubbeuteln und der Schienenbürste der Biene.
Die meisten Menschen würden die hier vorgestellten Wildbienen kaum als »Bienen« bezeichnen, wenn sie sie überhaupt wahrnehmen würden. Diese Winzlinge auch noch im Feld artlich unterscheiden zu können, benötigt ein gutes Auge und viel Erfahrung, im Zweifel auch die Mitnahme eines Belegexemplars zu späteren Bestimmung mithilfe eines Binokulars.
Wenn man sich mit Wildbienen beschäftigt, lohnt es sich immer, auch einmal sonst weniger beachtete Pflanzen und deren Blüten auf den Besuch durch Wildbienen hin zu studieren. Dabei kann sich so manche Überraschung ergeben.
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