Vor einigen Tagen habe ich im Neckartal an einem Hang, an dem ich schon früher Osmia tridentata nachgewiesen hatte, mehrere verholzte, dürre Stengel der Kleinblütigen Königskerze (Verbascum thapsus) und der Brombeere (Rubus fruticosus) ausgebracht, um meine schon vor längerer Zeit durchgeführten, aber noch nicht publizierten Untersuchungen zur Biologie dieser Art durch zusätzliche Beobachtungen zu ergänzen. Sowohl der wissenschaftliche wie der deutsche Name dieser Bienenart weisen auf ein morphologisches Merkmal des Männchens hin, dessen letztes Hinterleibsegment zweimal tief ausgebuchtet ist, so daß drei lange Fortsätze (»Zähne«) gebildet werden.
Links: An einem in den Boden geschlagenen
Stab wurde ein dürrer Stengel der Königskerze mit Bindedraht
befestigt. Entscheidend ist die vertikale Orientierung des Stengels, da sich
die Mauerbiene bei der Suche nach einem geeigneten Nistplatz bevorzugt an vertikalen
Strukturen orientiert. Sie werden gegenüber Brombeerranken, die mit ihrem
Ende nach unten gerichtet sind, bevorzugt. Gebündelte
Stengel nimmt die Art nicht an.
Rechts: Am 4. Juni wurde dieser Stengel von einem Weibchen von Osmia tridentata besiedelt. Schon nach kurzer Zeit der Bautätigkeit ist
der Nesteingang, der einen Durchmesser von 5 mm hat, zu sehen und zeigt dem Beobachter
die »Inbesitzname« des
Stengels durch diese Bienenart an.
Weibchen von Osmia tridentata auf dem von ihm als Nistplatz gewählten dürren Stengel einer Königskerze. Hinter der Biene liegen bereits abgenagte und herausgeschaffte Markpartikel.
Mit den Oberkiefern und mit allen Beinen befördert das Weibchen die Markstückchen aus dem engen Gang nach draußen.
Mit den Mandibeln (Oberkiefern) nagt das Weibchen kleine Partikel des Marks, das den Stengel innen ausfüllt, ab und schiebt sie rückwärts nach oben, um sie dann mit den Beinen nach hinten wegzuschieben. Sie sind so leicht, daß sie schon durch einen kleinen Windstoß vom Nesteingang weggeblasen werden.
»Bauchansicht« des gleichen Weibchens. Der Hinterleib ist nach unten gekrümmt.
Nach getaner Arbeit setzt sich das Weibchen in den Nesteingang, den es damit gleichzeitig bewacht. Weibchen, die noch keinen Stengel gefunden haben, versuchen nämlich gelegentlich, sich des Stengels zu bemächtigen.
Osmia tridentata gehört zu den wenigen heimischen Bienenarten, die ihr Nest ausschließlich in dürren, markhaltigen Pflanzenstengeln anlegen und die den Hohlraum für die Brutzellen selbst nagen.
Aufgrund ihrer Körpergröße und der hohen Anzahl ihrer Brutzellen braucht diese Mauerbienen-Art besonders dicke und besonders lange Stengel. Wenn man verblühte und verholzte Königskerzen oder dicke, dürre Brombeerranken am Ende mit der Rebschere abschneidet, schafft man geeignete Nistplätze. Allerdings müssen diese Stengel, sofern sie besiedelt werden, bis zum kommenden Frühsommer an Ort und Stelle verbleiben, weil die nächste Generation erst im kommenden Jahr aus dem Stengel schlüpft. Eine solche Maßnahme zur Förderung dieser nicht gerade häufigen, wärmeliebenden Offenlandsart ist allerdings nur dort sinnvoll, wo sie auch vorkommt. In Deutschland wurde sie bisher nach meiner Kenntnis in allen Bundesländern mit Ausnahme von Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachen und Nordrhein-Westfalen nachgewiesen. In der Schweiz und in Österreich kommt sie ebenfalls vor. Mir war es mehrfach vergönnt, die Art auch in meinem strukturell und floristisch vielfältigen Garten durch das Anbieten geeigneter Nistplätze und artspezifischer Pollenquellen (Schmetterlingsblütler) zu erleben.
Über den Fortschritt beim Nestbau bzw. bei der Verproviantierung der Brutzellen werde ich zu gegebener Zeit berichten.
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