Obwohl ich mich schon seit vielen Jahren mit dem Pollensammeln von Wildbienen befasse, gelang mir erst heute eine Beobachtung, die für mich in jeder Hinsicht neu ist. Noch nie habe ich eine Biene, auch keine Honigbiene, am Pfaffenhütchen (Euonymus europaea) beim Pollensammeln angetroffen. Selbst Paul Knuth führt in seinem zweibändigen »Handbuch der Blütenbiologie«, das zwar schon 1898 erschienen ist, aber immer noch wichtige Informationen liefert, keine Bienen an.
Bei der Bienenart, von der ich am heutigen frühen Nachmittag südlich von Tübingen zwei Weibchen längere Zeit an den Blüten dieses Strauchs beim Pollensammeln beobachten und fotografieren konnte, handelt es sich um Andrena fulva (Fuchsrote Sandbiene). Bisher waren Vertreter von 10 Pflanzenfamilien bekannt, die diese Art als Pollenquellen nutzt. und die ich in meinem Grundlagenwerk (»Die Wildbienen Baden-Württembergs«, S. 496) aufgelistet habe. Mit der heutigen Beobachtung erhöht sich die Zahl der Pflanzenfamilien bei dieser Art auf 11.
Ein Zweig des Pfaffenhütchens (Euonymus europaea) in blühendem Zustand (24. Mai 2008). Die Art gehört zur Familie der Spindelstrauch-Gewächse (Celastraceae). Sie wächst häufig in Hecken und krautreichen Auenwäldern auf frischen, nährstoff- und basenreichen Ton- und Lehmböden.
Der Pollen von Euonymus europaea ist dreifaltig. In gequollenem Zustand eines in Glyceringelatine eingebetteten Präparats finden sich ovale, ampullenartige Seitenlagen mit 1–2 ziemlich weiten Keimstellen (rechts oben) sowie flach gewölbte, dreiseitige Pollagen mit 3 Keimstellen (links oben). Die Schale ist kräftig und schwach quergeriffelt. Die durchschnittliche Größe eines Pollenkorns beträgt 30,6 : 22,8 µm (E. Zander, »Pollengestaltung und Herkunftsbestimmung bei Blütenhonig«).
Da dieses Weibchen sicher schon einige Wochen alt ist, ist die Farbe seiner Behaarung schon etwas verblichen. Wie leuchtend hingegen die Haarfarbe eines frisch geschlüpften Tieres ist, ermöglicht ein Vergleich mit den Fotos auf dieser Seite (unten).
Auf diesem und dem nächsten Foto ist gut zu erkennen, daß die Farbe des Pollens in den Staubgefäßen (Stamina, Staubblättern) der Blüte und in der Transporteinrichtung (Scopa) der Sandbiene identisch ist. Die vier Staubblätter sind von der Narbe entfernt und stehen auf steifen Fäden.
Mit seiner Zunge leckt das Weibchen den freiliegenden und daher leicht zugänglichen Nektar, der von einer den Griffel umgebenden, fleischigen Scheibe abgesondert wird. Als Besucher treten vor allem Fliegen verschiedener Familien auf. Diese Fotos belegen nun auch den Besuch einer Wildbienenart mit dem Ziel, die beiden Blütenprodukte Nektar und Pollen zu sammeln.
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