In der jüngsten Zeit habe ich wiederholt E-Mails erhalten, in denen über ein Vorkommen von Isodontia mexicana berichtet wird. Verschiedentlich wurde gefragt, ob es sich bei dem eigentümlichen Insekt um eine Wildbiene handelt und wenn ja, um welche Art. Dies hat mich motiviert, ergänzend zu früheren Tagebuch-Einträgen vom 14. August 2007, 2. September 2009 und 11. September 2009 weiteres Bildmaterial zu dieser Grabwespenart zu präsentieren und das Verhalten beim Nestbau und der Brutversorgung mittels eines Videos anschaulich zu illustrieren.
Männchen (oben) und Weibchen von Isodontia mexicana.
Isodontia mexicana (Saussure 1867) ist eine Grabwespe (Spheciformes, Sphecidae) und gehört damit zu den Stechimmen (Hymenoptera aculeata). Ihre ursprüngliche Heimat sind Mittelamerika, Mexiko und die USA. In den 1960er Jahren wurde die Art nach Südfrankreich eingeschleppt und hat sich seither bis nach Mittel- und Osteuropa und sogar bis Großbritannien ausgebreitet. In Deutschland hat sie mittlerweile Berlin erreicht. Sie besiedelt besonders gerne Nisthilfen in Form von röhrenförmigen Hohlräumen, vor allem, wenn diese einen Durchmesser von 8 bis 10 mm haben. Die Hohlräume können waagrecht, vereinzelt aber auch senkrecht orientiert sein. Tritt die Grabwespe an solchen Nistgelegenheiten auf, wird dies durch die Verwendung eines charakteristischen Baumaterials deutlich: dürre oder welkende Grasblätter, also nicht die Grashalme selbst, sondern die seitlich abzweigenden Blätter, die abgebissen und zum Nistplatz im Flug transportiert werden. Schon während des Nestbaus schauen oft einzelne Grasblätter aus dem Eingang heraus, aber wenn die Brutversorgung abgeschlossen ist, sind die Nester zweifelsfrei an den charakteristischen Verschlüssen (siehe Abbildung unten) zu erkennen. Typisch sind auch die Beutetiere dieser Grabwespe. Hierzulande werden im Weinbauklima v. a. Weinhähnchen (Oecanthus pellucens), sonst v. a. ältere Larven der Südlichen Eichenschrecke (Meconema meridionale) als Larvenfutter eingetragen. Daß Weinhähnchen zur Familie der Grillen gehören, war neben der Färbung der Grund für die Namensgebung »Stahlblauer Grillenjäger«.
Die Lebensweise zeigt in den Gründzügen eine Abfolge mehrerer unterschiedlicher Aktivitäten, insbesondere bei Nestbau und Brutversorgung:
Die Entwicklung der Larven verläuft vergleichsweise rasch, da das Larvenfutter in nur wenigen Tagen verzehrt ist. Danach spinnen sich die Larven in einem weißen Kokon ein, in dem sie überwintern. Die weitere Entwicklung über das Puppenstadium bis zur Imago findet erst im Folgejahr statt. Die Flugzeit erstreckt sich von Juli bis September. In manchen Jahren gibt es eine 2. Generation. Dies konnte ich 2019 zweifelsfrei feststellen, als der Brutbeginn bereits Mitte Juni erfolgte. Am 11. August waren aus zwei Nestern Imagines der 1. Generation geschlüpft. Zwei Weibchen waren bei der Nistplatzsuche zu beobachten, zwei weitere trugen bereits wieder Beutetiere (Eichenschrecken) ein. Am 29. August waren alle Imagines aus 8 von 10 im Frühsommer gebauten Nestern geschlüpft. Die Versorgung der Brut der 2. Generation dauerte bis zum 1. Oktober, an dem ich das letzte Weibchen gesichtet habe.
Ein Weibchen ist mit einer Larve der Südlichen Eichenschrecke (Meconema meridionale) zurückgekehrt und trägt die Beute in das Nest in einem Bambusröhrchen ein.
In der Anfangsphase des Nestbaus und während der Versorgung der ersten Brutzelle mit Futter für die Larven werden Grasblätter oft über den gesamten Hohlraum verteilt.
Das Ei wurde am ersten Beutetier abgelegt.
Zwei Nester in einem Gang von 8 mm Durchmesser in einem frühen Stadium, in dem die Beutetiere gefressen werden, und nach dem Verzehr des Larvenfutters mit ausgewachsenen oder bereits eingesponnen Larven. Die Zwischenwände zwischen den einzelnen Brutzellen bestehen aus dicht gepackten Grasblättern (Aufnahmen von 2020).
Das Nest wird mit einer dicken Schicht aus meist dürren, gelegentlich auch noch grünen Grasblättern verschlossen, die dicht ineinander gepackt werden (siehe Video). Vereinzelt werden auch Stücke von Grashalmen genutzt. In einem seltenen Fall wurden Stücke von Binsenhalmen verwendet (Dank an Heike Walter für die Belegfotos aus Stuttgart).
Nestverschlüsse in Nisthilfen (Bohrungen von ca. 8 mm Durchmesser in Holz). Nicht immer ragen die Grasblätter aus dem Hohlraum (weit) heraus.
Bislang sind mir keine negativen Auswirkungen der erstmals 1997 in Deutschland nachgewiesenen und sich seither ausbreitenden Art festzustellen. Zur Eigenversorgung nutzt die Art Blüten, deren Nektar gut erreichbar ist, z. B. Feld-Mannstreu (Eryngium campestre) oder in den Gärten Flachblättrige Mannstreu (Eryngium planum). Hinsichtlich des Nistplatzes ist die Art nicht wählerisch. Das Spektrum reicht von Metallrohren über Hohlräume in Fensterrahmen bis zu Nisthilfen für hohlraumbesiedelnde Stechimmen. Eine Nistplatzkonkurrenz mit heimischen Wildbienenarten war bislang nicht erkennbar. Kurios ist jedoch die Tatsache, daß Isodontia mexicana ausgerechnet mit der ebenfalls adventiven Megachile sculpturalis (Asiatische Mörtelbiene) um den Nistplatz konkurriert, da beide Neozoen ähnliche Ansprüche an die Struktur und Größe des Hohlraums haben, in dem das Nest angelegt werden soll.
Das folgende Video (4 min 7 sec, 138 MB) zeigt die Verproviantierung und den Nestbau sowie die Larvalentwicklung von Isodontia mexicana. Erleichtert wurde die Dokumentation durch den Einsatz künstlicher Nisthilfen. Die Aufnahmen wurden in Kusterdingen von 2014–2020 gemacht. – Das Video kann auch im Vollbildmodus abgespielt werden. Ohne Ton!
Folgende Publikationen zu mitteleuropäischen Vorkommen von Isodontia sind in den letzten Jahren erschienen:
Amiet, F. (2009): Zur Biologie von Isodontia mexicana (Saussure, 1867) (Hymenoptera, Sphecidae, Sphecini). – Entomo Helvetica 2: 155–159.
Bosch, S., Lurz, P. & Westrich, P. (2018): Ein Mittelamerikaner erobert heimlich Europa: Der Stahlblaue Grillenjäger. – Biologie in unserer Zeit 48 (2): 120–127.
Burger, R. (2015): Nachweise der Großen Mörtelgrabwespe Sceliphron destillatorium in Mannheim und Angaben zur aktuellen Verbreitung der neozoischen Grabwespen Sceliphron curvatum, S. caementarium und Isodontia mexicana in Rheinland-Pfalz (Hymenoptera: Sphecidae). – Pollichia-Kurier 31: 9–15.
Burton, J. F., Weiser, H. & Weiser, P. (2019): Grass-carrying Sphecid Wasp Isodontia mexicana (Saussure, 1867) breeding in North Baden, Germany (Hymenoptera: Sphecidae). – Entomologische Zeitschrift 129(3): 153–162.
Hopfenmüller, S. (2016): Ein weiteres Neozoon erreicht Bayern: Der Stahlblaue Grillenjäger Isodontia mexicana (Saussure, 1867) (Hymenoptera: Sphecidae. – Nachrichtenblatt der Bayerischen Entomologen 65(3/4): 93–94.
Hopfenmüller, S. (2017): Nachtrag zum Nachweis des Stahlblauen Grillenjägers Isodontia mexicana (Saussure, 1867) in Bayern (Hymenoptera: Sphecidae). – Nachrichtenblatt der Bayerischen Entomologen 66(3/4): 99–100.
Notton, D. (2017): Grass-carrying wasp, Isodontia mexicana (de Saussure), genus and species new to Britain (Hymenoptera: Sphecidae). – British Journal of Entomology and Natural History 29(4): 241–245.
Tischendorf, S. (2018): Eine neue Grabwespenart in Hessen: Isodontia mexicana (Saussure, 1867), der »Stahlblaue Grillenjäger«. – Hessische Faunistische Briefe 35 (1/3): 53–55.
Weltner, L. (2017): Der Stahlblaue Grillenjäger Isodontia mexicana (Sausure, 1867) (sic!) (Sphecidae, Hymenoptera) jetzt auch in Nordbayern – entdeckt im Areal der Nürnberger Kaiserburg. galathea 33: 15–18.
Westrich, P. (1998): Die Grabwespe Isodontia
mexicana (Saussure 1867) nun auch in Deutschland gefunden (Hymenoptera: Sphecidae).
- Ent. Z., 108: 24–25; Frankfurt a.M. (48 KB)
Nachtrag:
Dietzel, S. & Fischer, C. (2020): Ausbreitungsbewegung von Isodontia mexicana (Saussure, 1867), der Stahlblaue Grillenäger in Bayern: Weitere Nachweise aus dem Stadtgebiet von München (Hymenoptera: Sphecidae). – Nachrichtenblatt der bayerischen Entomologen 69: 98–99.
Hopfenmüller, S. (2017): Nachtrag zum Nachweis des Stahlblauen Grillenjägers
Isodontia mexicana (Saussure, 1867) in Bayern (Hymenoptera: Sphecidae). – NachrBl. bayer. Ent. 66: 99–100.
Regelmäßig ist Isodontia mexicana auch beim Blütenbesuch anzutreffen, wie hier beim Nektartrinken am Feld-Mannstreu (Eryngium campestre). In Gärten ist der Flachblättrige Mannstreu (Eryngium planum) als Nektarquelle besonders beliebt.
Je nach Lichteinfall schimmern die Flügel bläulich, ein Effekt, der auch bei Holzbienen (Xylocopa) zu beobachten ist. Die bläuliche Färbung ist wohl Grund für den deutschen Namen »Stahlblauer Grillenjäger«.
Nestverschlüsse von vier Nestern, die in einer Nisthilfe für Mauerbienen angelegt wurden.
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