Im Jahre 1997 konnte ich diese auffällige Grabwespenart erstmals für Deutschland nachweisen. Damals hatte ich in meinem Garten ein Weibchen beim Blütenbesuch auf der Schafgarbe (Achillea millefolium) entdeckt. Seither habe ich die Art im Raum Tübingen nicht mehr beobachtet. Lediglich im Kaiserstuhl fand ich 2007 ein Weibchen auf dem Feld-Mannstreu (Eryngium campestre). Als ich nun heute die im Frühsommer von mir an einem Trockenhang westlich von Tübingen zur Förderung von Osmia tridentata aufgestellten Brombeerstengel kontrollierte, fiel mir ein Stengel auf, der mit kurzen Grasblättchen verschlossen war. Sogleich hatte ich den Verdacht, daß es sich um ein Nest von Isodontia mexicana handeln könnte. Der Fundort liegt auf der Topographischen Karte 7419 in 430 m Höhe.
Das mit kurzen Grasblättchen verschlossene Nest von Isodontia mexicana in einem Brombeerstengel und damit der erste Nachweis der Bodenständigkeit dieser Art im Naturraum »Schönbuch-Glemswald«.
Nach dem vorsichtigen Öffnen des Brombeerstengels fand sich in der Tiefe des Stengels ein vorjähriges Nest von Osmia tridentata, in dessen letzten drei Brutzellen die Larven abgestorben waren. In den 2008 zuerst gebauten Zellen waren zwar drei Bienen voll bis zur Imago entwickelt, sie waren aber nicht geschlüpft, sondern lagen tot in der obersten Zelle. Da das Osmia-Weibchen 2008 zwar den Stengel bis in einer Tiefe von 27 cm ausgehöhlt, aber nicht vollständig für das eigene Nest genutzt hatte, blieb oben ein restlicher Hohlraum von 15 cm Länge und 6 mm Durchmesser übrig. Dieser diente Isodontia mexicana als Nistmöglichkeit.
Nest von Isodontia mexicana mit zwei Brutzellen (links) und Nestverschluß in einem von Osmia tridentata im Jahr 2008 ausgehöhlten Brombeerstengel (Rubus fruticosus).
Durch die Öffnung des Brombeerstengels wird der 3 cm lange Nestverschluß sichtbar, der fast vollständig aus kurzen, dürren Grasblättchen gebaut ist.
Sowohl für den Boden der ersten, 5 cm langen Brutzelle als auch für die Zwischenwand zwischen der ersten und zweiten Brutzelle wurden kurze Grasblätchen verwendet. Als Beutetiere wurden ausschließlich adulte Weinhähnchen (Oecanathus pellucens) eingetragen, deren lange Antennen aus der Brutzelle herausragen. In jeder Zelle befand sich eine wenige Tage alte Isodontia-Larve, die bereits mit dem Fressen der Weinhähnchen begonnen hatte. Bemerkenswert ist hier, daß das Weinhähnchen an dem Fundort des Nestes bis zum Jahr 2004, als ich es erstmals beobachtete, nicht vorkam. Durch die Grabwespe wurde nun die Bodenständigkeit dieser Grillenart eindrucksvoll bestätigt.
2008 teilte mir Herr Stefan Birrer aus der Schweiz mit: »Seit 2006 haben ich und meine Frau die Art in Muttenz bei Basel auf dem Balkon. Sie schleppt Oecanthus mit abgebissenen Beinen an und bringt sie in Löchern eines metallenen Gestells zum Wäschetrocknen unter. Unsere erste Beobachtung datiert vom 4.9.2006.« Herr Birrer hatte seine Beobachtungen mit Fotos belegt. In dem von mir gefundenen Nest fehlen den Weinhähnchen allerdings keine Beine. Daß die Beutetiere nur gelähmt sind, läßt sich gut an deren Antennen erkennen, die hin und wieder noch bewegt werden.
Herr C. Königer aus Emmendingen gelang es, noch eine weitere Beutetier-Art zu dokumentieren: Die Südliche Eichenschrecke (Meconema meridionale). Als Beleg kann das folgende, von Herrn Königer mir bereits 2008 zugesandte Foto dienen:
Ein Weibchen von Isodontia mexicana trägt ein Männchen
der Südlichen Eichenschrecke (Meconema meridionale) als Beute in einen Bohrgang
einer hölzernen Nisthilfe (Foto: C. Königer).
Schon 1998 hatte ich
in meiner Publikation über den ersten deutschen Nachweis die mit Meconema
meridionale nahverwandte Meconema thalassinum (Gewöhnliche Eichenschrecke)
als Beuteart vermutet, da in der Umgebung meines damaligen Gartens das Weinhähnchen
nicht vorkam.
Das Weinhähnchen (Oecanthus pellucens) und die Südliche Eichenschrecke (Meconema meridionale) sind somit die ersten zweifelsfrei belegten Beutetier-Arten von Isodontia mexicana in Deutschland (zur Diskussion des Beutespektrums siehe die Angaben hier).
Herr Königer schrieb mir 2008: »Die Nester wurden bei uns in zwei Bereichen angelegt, der Hauptplatz war einer unserer Wildbienenkästen, hier wurden über 10 Nester gebaut. Aber wir konnten auch zwei Nester in einer Höhe von 10,20 m nachweisen. Diese wurden in Holzspalten angelegt. (Hier in Fensterrahmen). Der Nestbau erfolgt sehr zügig, es ist erstaunlich, welch große Halme hierfür eingetragen wurden. Es wurden trockene Grasblätter bevorzugt, aber es wurden ebenfalls grüne Grasblätter eingetragen. Der vollständige Nestbau dauerte bei guter Witterung 2–3 Tage, inkl. Beuteeintrag.«
Ein Isodontia-Weibchen schleppt ein langes Grasblatt für den Nestverschluß herbei (Foto: C. Königer).
Loren, Paul und Christian Königer beobachteten außerdem die Zerstörung eines Nestes der solitären Faltenwespe Symmorphus murarius durch die Isodontia, um darin eine eigene Brutzelle anzulegen.
Herr Königer berichtete außerdem, daß aus einem 2008 gebauten Nest nach 2–3 Wochen bereits die Insassen geschlüpft seien, die rund 10 Tage später selbst Nester gebaut hätten. Dies würde auf eine 2. Generation hindeuten, bedarf aber weiterer Untersuchungen. – Als wichtigsten Gegenspieler stellte die Familie Königer Meisen fest, die alle Nester bzw. die jeweils vorderste Brutzelle in den Nistkästen zerstört und geplündert hätten.
Danksagung:
Herrn Birrer und Herrn Königer sei für ihre wertvollen Mitteilungen
und die Erlaubnis, diese zu verwenden, recht herzlich gedankt.
Beide Isodontia-Larven haben schon einen Teil der Beute gefressen und wachsen rasch. Das obige Foto zeigt die jüngere der beiden Larven, die aber etwa die gleiche Größe hat wie die wahrscheinlich nur ein bis zwei Tage ältere Larve.
Beide Larven haben das Grillen-Futter verzehrt und sich in einem weißen Kokon eingesponnen.
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