Am 8. September 2016 unternahm ich mit Josef Bülles (Merdingen) eine Exkursion am Tuniberg bei Merdingen, um auf einer Lößböschung in den Weinbergen einen Nistplatz von Halictus quadricinctus anzuschauen und um die an den Nestern fliegenden Männchen dieser großen Furchenbienenart zu beobachten. Während die Vegetation der meisten Böschungen am Kaiserstuhl und am Tuniberg wegen der Hitze der vergangenen Wochen verdorrt war, blühten auf einigen vorwiegend westexponierten Böschungen, die weniger stark der Sonne ausgesetzt sind, drei Arten aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae): Doldiges Habichtskraut (Hieracium umbellatum), Kanadische Goldrute (Solidago canadensis) und Raukenblättriges Greiskraut (Senecio erucifolius). Als wir die Blütenbesucher dieser Pflanzen kontrollierten, fielen uns neben Männchen und Weibchen von Dasypoda hirtipes und Männchen von Colletes hederae schwarze Bienen mit weißen Haarflecken auf. Nachdem ich eines der Exemplare gefangen und ins Beobachtungsglas überführt hatte, war rasch klar, welchen sensationellen Fund wir gemacht hatten: Es handelte sich um die mir bereits aus Nordspanien und Südfrankreich bekannte Art Epeolus fallax, die 1872 von Morawitz von Nordafrika (Algier) beschrieben worden war. Am ersten Fundort beobachteten wir vier Männchen beim Blütenbesuch und ein Weibchen an einem Nistplatz von Colletes hederae in unmittelbarer Nähe. Diese Art dürfte zumindest einer der Wirte der Kuckucksbiene sein.
Westexponierte Böschung am Tuniberg mit blühenden Beständen von Hieracium umbellatum, Senecio erucifolius und Solidago canadensis, einer der drei Fundorte von Epeolus fallax, gleichzeitig Nistplatz von Colletes hederae.
Wir kontrollierten daraufhin am 8. September noch zwei weitere Nistplätze der Efeu-Seidenbiene in der weiteren Umgebung und fanden dort weitere Männchen. Am 9. und 11. September kontrollierte ich die drei Fundorte erneut und fand ein weiteres Weibchen beim Blütenbesuch an Solidago canadensis und erneut mehrere Männchen; teilweise beobachtete ich drei Exemplare gleichzeitig und konnte Männchen beim Blütenbesuch filmen. Insgesamt haben wir mindestens elf Männchen und zwei Weibchen von Epeolus fallax dokumentiert. Es stellte sich außerdem heraus, daß Josef Bülles bereits am 7. September an einem der drei Fundorte ein Männchen fotografiert hatte.
Da wir keine Hinweise für einen früheren Nachweis fanden, gehen wir davon aus, daß damit Epeolus fallax erstmals in Deutschland nachgewiesen wurde.
Im Mittelmeerraum wurde Epeolus fallax mehrfach an den Nistplätzen von Colletes hederae beobachtet. Auch ich fand die Art in Nordspanien und in Südfrankreich zusammen mit Colletes hederae. (Belegtiere befinden sich in meiner Sammlung.) Daher ist anzunehmen, daß diese Seidenbienenart ein Wirt dieser Filzbiene ist. Auf welchem Wege (Burgundische Pforte?) Epeolus fallax an den Tuniberg gelangte und seit wann er dort vorkommt, kann nur vermutet werden. Möglicherweise gibt es bereits weitere Vorkommen zwischen den nach gegenwärtiger Kenntnis weit entfernten Fundorten in Frankreich und dem südlichen Oberrhein. Eine gezielte Suche im Kaiserstuhl bei Oberrotweil, Burkheim und Ihringen an in Frage kommenden Lokalitäten durch mich blieb bislang erfolglos.
Man fragt sich natürlich: Erleben wir jetzt das gleiche mit Epeolus fallax wie in der jüngsten Vergangenheit mit dem ebenfalls bei Colletes hederae schmarotzenden Ölkäfer Stenoria analis, von dem immer mehr Vorkommen in Deutschland bekannt werden?
Wir bitten daher alle, die einen Nistplatz von Colletes hederae kennen oder noch finden werden, auf ein Vorkommen der wegen ihrer schwarzweißen Färbung auffälligen und gut kenntlichen Art zu achten. Es ist nicht ausgeschlossen, daß es noch weitere Vorkommen gibt und wir würden uns freuen, entsprechende Meldungen zu erhalten, möglichst mit Fotobeleg.
Wir werden während der erst vor kurzem begonnenen Brutzeit der Weibchen von Colletes hederae weitere Beobachtungen anstellen und diese zusammen mit den hier dokumentierten Befunden in der Zeitschrift Eucera, Nummer 10, publizieren. Da ich bereits früher Nachweise von Epeolus fallax zusammengetragen habe, ist in der geplanten Publikation auch eine Verbreitungskarte vorgesehen.
Die folgende Bildergalerie zeigt Männchen und Weibchen von Epeolus fallax.
Das folgende Video (1 min 17 sec, 110 MB) zeigt nach einem kurzen Blick auf den Fundort am Tuniberg Männchen von Epeolus fallax, die das Raukenblättrige Greiskraut (Senecio erucifolius) als Nektarquelle besuchen. Die Blütenstände schwanken wegen des Windes, der am Aufnahmetag zum Teil heftig geweht hat.
Heute war ich mit Josef Bülles erneut bei bestem Wetter am Tuniberg. Wir haben eine Lokalität untersucht, die von den ersten Fundorten mehrere Kilometer entfernt weiter südlich liegt, und mindestens 30 Männchen und zwei Weibchen von Epeolus fallax beobachtet. Von den Männchen haben wir alle besuchten Nektarquellen (Vertreter mehrerer Pflanzenfamilien) dokumentiert, auch fotografisch. Die Weibchen wurden an Nestern von Colletes hederae beobachtet, womit erneut diese Art als Wirt bestätigt wird. Auch diese Befunde werden in der Publikation behandelt.
Eine erneute Kontrolle an zwei Nistplätzen von Colletes hederae im westlichen Kaiserstuhl (Oberrotweil, Burkheim) blieb hinsichtlich der Kuckucksbiene ergebnislos, da ich nur zahlreiche, immer noch schwärmende Männchen und Pollen eintragende Weibchen vorfand. Obwohl erwartet, liegen bisher aus dem Kaiserstuhl keine Nachweise von Epeolus fallax vor.
Epeolus fallax (Männchen) im Blütenstand der Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea) (Tuniberg, 22.09.2016).
Gestern und heute war ich mit Josef Bülles erneut bei bestem Wetter am Tuniberg. Wir wollten nach Weibchen von Epeolus fallax Ausschau halten, die wir jetzt vermehrt erwarteten, da die Weibchen von Colletes hederae an allen uns bekannten Nistplätzen sehr rege Pollen eintrugen. Nachdem wir bereits zahlreiche Männchen beobachtet hatten, war auch die Zahl der Weibchen erstaunlich groß: Wir zählten an zwei, etwa 200 m von einander entfernten Lößwänden jeweils mindestens 20 Weibchen von Epeolus fallax, die – nur von kurzem Rasten unterbrochen – ständig die Nester von Colletes hederae kontrollierten und immer wieder auch in die Nestgänge hineinkrochen. An beiden Lößwänden fanden wir mehr als 200 Nester von Colletes hederae. An einer weiteren Lößwand entdeckten wir nochmals drei fallax-Weibchen.
Da an den untersuchten Stellen keine andere Bienenart in Frage kommt, ist Colletes hederae im Untersuchungsraum Tuniberg der einzige und zweifelsfrei belegte Wirt.
Trotz gezielter Kontrolle weiterer und gut besiedelter Nistplätze von Colletes hederae fanden wir am Kaiserstuhl bislang kein einziges Exemplar von Epeolus fallax.
Die folgende Galerie zeigt Weibchen in verschiedenen Situationen am Nistplatz von Colletes hederae in einer Lößwand und die Wirtsbiene. Bitte auf eines der Vorschaubilder klicken.
Das folgende Video (1 min 26 sec, 28 MB) zeigt nach einem kurzen Blick auf eine Lößwand Weibchen von Epeolus fallax auf der Suche nach Nestern des Wirtes Colletes hederae. Am Ende des Videos sind zwei Weibchen von Colletes hederae zu sehen, die mit Pollen beladen von einem Sammelflug zurückkehren und in ihr Nest kriechen.
Epeolus fallax Morawitz 1872 has been recorded for the first time in Germany between September 7 and September 11, 2016. The site is situated about 10 km west of Freiburg im Breisgau. Eleven males and two females were observed at nesting sites of Colletes hederae, the probable host. Males visited flowers of Senecio erucifolius, Hieracium umbellatum and Solidago canadensis for nectar. One female was observed at nests of Colletes hederae, another female was seen drinking nectar on Senecio erucifolius. It is not known how the species reached the location. Possibly there are more occurences found in Southern Germany or Eastern France by a systematic and intensified search.
On September 28 and September 29 43 females were observed controlling and entering the nests of Colletes hederae which is the only host species at the above location.
Ein Männchen von Epeolus fallax besucht den Blütenstand von Senecio erucifolius, um Nektar zu trinken (Merdingen, 8. Sept. 2016).
Ein Männchen von Epeolus fallax auf dem Blütenstand von Senecio erucifolius (Merdingen, 9. Sept. 2016).
Ein Männchen von Colletes hederae.
Ein Weibchen von Colletes hederae, einer der Wirte von Epeolus fallax.
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