Im Botanischen Garten der Universität Tübingen blüht seit Wochen im Zierpflanzenrevier ein Bestand von Platycodon grandiflorus. Heute habe ich mir zum wiederholten Male die Blütenbesucher angeschaut. Vor allem hat mich interessiert, inwieweit diese zu den Glockenblumengewächsen gehörende Art auch von solchen Bienenarten besucht und als Pollenquelle genutzt wird, die oligolektisch sind und deren Pollenquellen ausschließlich zur Familie Campanulaceae gehören. Außer den heutigen Bilddokumenten habe ich auch solche ausgewertet, die ich am 18. August 2013 und am 13. Juli 2014 im Botanischen Garten und auf meiner Terrasse erstellt habe.
Der deutsche Name »Ballonblume« kommt daher, daß sich die Blütenknospen aufblähen, bevor sie aufgehen. Bisweilen liest man auch die Namen Chinesische bzw. Japanische Glockenblume, was auf ihre Heimat China und Japan (und weitere Regionen Ostasiens) hinweist. Die Ballonblume ist eine ausdauernde, krautige Pflanze, die 50 bis 70 cm hoch wird. Die im Durchmesser 5 bis 7 cm messenden Blüten sind in der Regel fünfzählig und meistens blau. Es gibt aber auch rosafarbene und weiße Sorten. Bei uns wird die Art als Zierpflanze kultiviert. In Gartenmärkten wird sie zu Beginn des Hochsommers vielfach als Topfflanze angeboten. Da sie winterhart ist, kann man sie auch ins Freie pflanzen. Vereinzelt fand ich auf den Internetseiten der Staudenversandhändler den Hinweis »bienenfreundlich«. Vermutlich ist damit die Honigbiene gemeint.
Blüte von Platycodon grandiflorus in der männlichen Phase. Die Staubblätter liegen noch an der Griffelstange an, die Staubbeutel öffnen sich und entleeren den Pollen auf die Griffelstange, wo er den Bienen zugänglich ist.
Blüte von Platycodon grandiflorus in der weiblichen Phase. Die sechs Staubblätter haben sich zurückgezogen und werden bald vertrocknen. Die sechs Narbenäste haben sich ausgebreitet und sind bereit für die Aufnahme des Pollens.
Bereits 2013 hatte mich Frau Helene Brühlmann (Schweiz) anhand von Fotos auf Wildbienen hingewiesen, die in ihrem Garten die Ballonblume besuchen. Dies nahm ich als Anregung, auch selbst einige Beobachtungen anzustellen. Insgesamt zählte ich zehn Arten, die P. grandiflorus als Nektar- bzw. Pollenquelle nutzten.
Die folgende Bildergalerie zeigt einige der beobachteten Arten mit einer kurzen Erläuterung.
Das folgende, bei Vimeo eingestellte Video (2 min 20 sec, 83 MB) zeigt Wildbienen, die Blüten von Platycodon grandiflorus besuchen. Zunächst sammelt die kleine Scherenbiene Chelostoma campanularum Pollen und speichert ihn in der charakteristischen Bauchbürste. Sie ist kleiner als die ebenfalls oligolektische Chelostoma rapunculi. Anschließend sieht man die Maskenbiene Hylaeus communis, die sich putzt und später den Pollen mit den Mandibeln unmittelbar von den Staubbeuteln erntet, um ihn zu verschlucken und im Nest wieder auszuspucken. Zwischendurch erscheinen kurz die grün-metallische Schmalbiene Lasioglossum nitidulum und die Furchenbiene Halictus tumulorum, die auch im letzten Teil etwas länger zu sehen ist.
Neben polylektischen Bienenarten nutzen auch oligolektische und zwar auf bestimmte Campanulaceae spezialisierte Arten Platycodon als Pollenquelle. Haben oligolektische Bienen andere Vorstellungen von der Verwandschaft ihrer Pollenquellen als die Botaniker, die die Campanulaceen nach anderen Kriterien als die Bienen klassifizieren? Die nach landläufiger Ansicht auf Campanula spezialisierten Bienenarten nutzen auch die den Campanula-Arten äußerst ähnlichen Vertreter der balkanischen Gattung Edraianthus, wie ich schon vor vielen Jahren in blütenökologischen Experimenten feststellen konnte. Nun kommt hinzu, daß »Campanula«-Spezialisten wie Chelostoma rapunculi und Chelostoma campanularum auch die Blüten der ebenfalls zu den Campanulaceae gehörenden Ballonblume nutzen, für die diese Pflanze wohl eine »Campanula« ist. Auch die polylektische Megachile willughbiella verhält sich beim Blütenbesuch in einer Platycodon-Blüte genauso, wie sie es in einer Campanula-Blüte tut.
Allerdings hat diese Zierpflanze keine hohe Bedeutung aus Sicht der Förderung der betreffenden oligolektischen Arten, auch wenn sie lokal eine Ergänzung sein kann. Im eigenen Garten oder auf dem Balkon ist die Kultur heimischer Campanula-Arten wirksamer.
Neben Sorten mit blauen Blütenblättern gibt es auch solche mit rosafarbenen oder weißen Blüten.
Eine Blüte von Platycodon grandiflorus in der weiblichen Phase.
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Die Oberkiefer oder Mandibeln sind wichtige Mundwerkzeuge und dienen verschiedenen Zwecken, u.a. Nestbau und Pollenernte.