Schon seit mehreren Jahren beobachte ich im Sommer die Faltenwespe Microdynerus timidus auf meiner Terrasse und hier an meinen Nisthilfen (Holzblöcke mit Bohrungen, Totholz-Elemente, Bündel mit Schilfhalmen). Da die bislang beobachteten Weibchen im Holz nisteten, war es mir nicht möglich, ein Nest zu untersuchen. Doch in den vergangenen Tagen stellte ich fest, daß ein Weibchen in einen kleinen Schilfhalm Beutetiere eintrug. Nachdem das Nest heute fertiggestellt war, entnahm ich den Halm, der sich in einem Bündel mit weiteren Halmen befand, und öffnete ihn vorsichtig. Ich fand insgesamt fünf Brutzellen, die alle mit Beutetieren verproviantiert waren. In vier Brutzellen waren bereits die Larven am Fressen. In der zuletzt gebauten Brutzelle befand sich noch ein Ei. Da ich in der Literatur keine Abbildung eines verproviantierten Nestes fand, entschloß ich mich, den heutigen Fund hier aufzunehmen, auch wenn es sich – zur Abwechslung – mal nicht um eine Bienenart handelt.
Blick auf zwei Brutzellen in dem aufpräparierten Schilfhalm. Der Durchmesser des Halmes beträgt 2,5 mm. Die Brutzelle selbst ist 6–7 mm lang. Bei den eingetragenen Beutetieren handelt es sich um Rüsselkäferlarven (Curculionidae). Von welcher Art diese Larven stammen und von welcher Pflanze sie von der Faltenwespe »geerntet« wurden, ist mir aber nicht bekannt. Die Zellzwischenwände und der Nestverschluß sind aus sandigem Lehm gebaut.
Die erste (älteste) Brutzelle. Ganz links ist die Larve zu sehen, die bereits mit dem Fressen der Beutetiere begonnen hat.
Zweite Brutzelle des Nestes mit junger, stark glänzender Larve ganz links.
Bei den solitären Faltenwespen wird das Ei bereits abgelegt, bevor die ersten Beutetiere eingetragen werden. Das längliche, hier links zu sehende Ei der zuletzt gebauten Zelle wird in der Regel an der Seitenwand oder Decke der Zelle angeklebt.
Microdynerus timidus ist zwar in ganz Deutschland verbreitet, wird aber im allgemeinen nur recht selten gefunden, wohl auch wegen seiner geringen Größe. Über die Biologie dieser solitär lebenden Faltenwespe hat erstmals Blüthgen (1953) berichtet. Die ausgewachsene Larve wurde von Tormos et al. (1997) beschrieben. Witt (2009) liefert ein Foto eines Weibchens. In Deutschland gibt es noch drei weitere Arten der Gattung (M. exilis, M. longicollis, M. nugdunensis). Alle legen ihre Nester oberirdisch in vorhandenen Hohlräumen wie Käferfraßgängen in totem Holz oder in Pflanzenstengeln an und scheinen Rüsselkäferlarven als Larvennahrung einzutragen. Die nach Kunz (1994) bei den verwandten Arten und wohl auch bei Microdynerus timidus schmarotzende, zierliche Goldwespe Chrysis gracillima konnte ich bislang in meinem Garten nicht nachweisen.
Das Männchen hat einen weißen Kopfschild (Clypeus). Beide Geschlechter werden aufgrund ihrer mit 5–6 mm geringen Größe leicht übersehen.
Charakteristisch für das Weibchen dieser Art ist das seitlich rot gefärbte erste Tergit.
Am 21. Juni 2009 sah ich dieses Männchen beim Blütenbesuch auf dem Einjährigen Feinstrahl (Erigeron annuus).
Copyright © 2005-2024 Paul Westrich
Website designed by Paul Westrich