Am heutigen Tag habe ich das für den diesjährigen Mai überraschend warme und sonnige Wetter genutzt, um auf der Schwäbischen Alb im Naturraum »Hohe Schwabenalb« Bestandserfassungen von Brutvögeln und Tagfaltern durchzuführen. Als ich mich auf der Suche nach Frühlingsfaltern längere Zeit an einem Waldrand aufhielt, fiel mir plötzlich eine intensiv braun gefärbte Mauerbiene auf, die von den Blättchen der Wald-Erdbeere (Fragaria vesca) Baumaterial für den Nestbau gewann. Zu meiner großen Freude stellte ich fest, daß es sich um die sehr seltene Osmia pilicornis (Lungenkraut-Mauerbiene) handelte.
Waldrand vor einem schmalen Fichtenwald in 900 m Höhe auf der Schwäbischen Alb im Zollernalb-Kreis, Lebensraum der Mauerbienenart Osmia pilicornis.
Das durch seine intensive Braunfärbung auffällige Weibchen von Osmia pilicornis sonnte sich zwischendurch auf einem Blatt der Wald-Erdbeere. Zwischen den Komplexaugen ist gelber Pollen zu sehen, der beim Blütenbesuch in den Stirnhaaren hängengeblieben ist.
Osmia pilicornis Smith 1846 siedelt in erster Linie in Waldgebieten und ist daher vor allem in lichten Wäldern, auf Waldlichtungen und an Waldrändern anzutreffen. Als Nistplätze dienen vermutlich Baumstrünke und ähnliche Totholzstrukturen. Blüthgen (1919) erwähnt ein Nest in einem Buchenstubben. Nach einer Beobachtung von Müller (Amiet et al. 2004) nistet die Art wahrscheinlich auch unter loser Rinde.* An obigem Waldrand fanden sich vereinzelt sowohl Baumstrünke als auch ältere Kiefern. Über das für den Bau der Brutzellen verwendete Baumaterial war mir bislang nichts bekannt. Somit sorgten die heutigen, auch fotografisch dokumentierten Beobachtungen für neue Erkenntnisse zum Nestbau.
Die nachfolgende Galerie zeigt verschiedene Aufnahmen ein und deselben Weibchens, das immer wieder an die gleiche Stelle am Fuß einer Kiefer flog, um dort von den Laubblättchen der hier in Anzahl wachsenden Wald-Erdbeeren (Fragaria vesca) Baumaterial zu gewinnen. Das Weibchen flog jeweils zunächst mehrere Pflanzen an und prüfte die Blattränder auf Eignung, bis es sich für ein Blättchen entschied. Dort wurde dann das Material vom Blattrand abgebissen und in den Mandibeln zum Nistplatz geflogen. [Start der Galerie durch Klick auf ein Vorschaubild]
In der Gattung Osmia gibt es noch weitere Arten, die Stücke von Laubblättchen verwenden und teilweise zu einem Pflanzenmörtel verarbeiten. Dies gilt insbesondere für die mit Osmia pilicornis nahverwandte und ihr ähnliche, aber kleinere Osmia parietina. Die ebenfalls äußerst ähnliche Osmia xanthomelana verwendet hingegen Lehm zum Bau ihrer Brutzellen.
Zum Blütenbesuch der von Ende April bis Anfang Juli fliegenden Art konnte ich an dieser Lokalität keine Beobachtungen machen. Doch ist bereits bekannt, daß Osmia pilicornis polylektisch ist und an Vertretern von 4 Pflanzenfamilien Pollen sammelt. Lungenkraut (Pulmonaria) wird deutlich bevorzugt (Westrich 1990). Ebensowenig gelang mir der Fund des Nestes des oben abgebildeten Weibchens. Zwar konnte ich die Richtung des Abflugs von den Erdbeeren feststellen, doch verlor ich das Weibchen bald aus den Augen und fand auch das Nest trotz gezielter Suche nicht. Dennoch bin ich sehr erfreut über die heutige Beobachtung und die Möglichkeit, das Verhalten auch fotografieren zu können.
Amiet, F., Herrmann, M., Müller, A. & Neumeyer R. (2004): Apidae 4. Anthidium, Chelostoma, Coelioxys, Dioxys, Heriades, Lithurgus, Megachile, Osmia, Stelis. – Fauna Helvetica 9, 273 S.
Blüthgen, P. (1919): Die Bienenfauna Pommerns – Stettiner Ent. Ztg., 80: 65-131.
Westrich, P. (1990): Die Wildbienen Baden-Württembergs. 2 Bände, 972 S., 496 Farbfotos; Stuttgart (E. Ulmer). [2., verb. Auflage].
* 2016 erschien die folgende Arbeit zur Nistweise und zum Blütenbesuch von Osmia pilicornis:
Prosi, R., Wiesbauer, H. & Müller, A. (2016): Distribution, biology and habitat of the rare European osmiine bee species Osmia (Melanosmia) pilicornis Hymenoptera, Megachilidae, Osmiini). – Journal of Hymenoptera Research 52: 1–36.
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