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Osmia brevicornis

(Fabricius 1798)

Schöterich-Mauerbiene

Synonyme: Osmia atrocaerulea Schilling 1849, Metallinella atrocaerulea Schilling 1849, Osmia panzeri Morawitz 1869

male Osmia brevicornis - Männchen. 8–10 mm.

male Osmia brevicornis - Weibchen. 9–11 mm.

  • s-01
    male Osmia brevicornis - Männchen
  • s-02
    male Osmia brevicornis - Weibchen

Kennzeichen

Die Männchen sind nur in ganz frischem Zustand anhand der leuchtend rostroten Behaarung zu erkennen. Wenn sie verblassen, sind sie im Feld kaum von ähnlichen Arten wie O. caerulescens zu unterscheiden. Die Weibchen haben einen blau schillernden Körper, eine rostrote Bauchbürste und sind durch den speziellen Blütenbesuch kenntlich. Weitere morphologische Merkmale sind nur mit optischen Hilfsmitteln zu sehen.

Verbreitung

Süd- und Mitteleuropa, nordwärts bis etwa 55 °n. Br. – In Deutschland weit verbreitet, aber meist ziemlich selten. Vor allem in Lagen unter 500 m, vereinzelt aber auch bis 800 m; in den Alpen bis 2000 m.

Lebensraum

Das Vorkommen wird bestimmt durch ein ausreichendes Angebot großblütiger Brassicaceen (Kreuzblütler) in Verbindung mit Totholzstukturen in Form ganz oder teilweise abgestorbener Bäume, alten Zaunpfählen oder alten Holzschuppen. Man findet die Art daher vorwiegend an südexponierten Waldrändern oder in alten Streuobstbeständen, gelegentlich auch im Siedlungsbereich (Gärten, Parks). Nistplatz und Nahrungsraum liegen oft räumlich weit auseinander.

Nistweise

Nistet in vorhandenen Hohlräumen, besonders in Fraßgängen in totem Holz. Besiedelt auch Nisthilfen, z.B. Bohrungen in Holz, Bambusrohr oder Schilfhalme (Innendurchmesser 5 mm). Der Nestbau ist unter den bisher bekannten europäischen Bienen einzigartig. Die zur Nestanlage gewählten röhrenförmigen Hohlräume werden durchgehend, ohne Zellzwischenwände, mit Pollen gefüllt. Die Eier werden nach und nach mitten in den sehr trockenen Proviant gelegt. Die Nester sind je nach dem zur Verfügung stehenden Raum unterschiedlich lang und können 8–23 Larven enthalten. Der Nestverschluß besteht aus Pflanzenmörtel, der in kleinen Päckchen mit den Mandibeln zum Nest getragen wird, und sitzt stets 5–10 mm tief im Nesteingang.

Ein Weibchen ist mit pollengefüllter Bauchbürste von seinem Sammelflug zurückgekehrt und wird im nächsten Augenblick in das Röhrchen schlüpfen, um zuerst den Nektar abzugeben und dann den Pollen abzuladen.

Ein Weibchen schneidet von einem Laubblättchen des Sonnenröschens (Helianthemum) ein kleines Stück mit seinen Mandibeln ab, stellt daraus durch »Zerkauen« einen Pflanzenmörtel her, mit dem Rückwand und Nestverschluß gebaut werden.

Osmia brevicornis am Nest

Weibchen beim Anflug an das Nest in einer hölzernen Nisthilfe.

Osmia brevicornis Nest

Ein fertiges Nest in einem Bambusröhrchen mit 5 mm Durchmesser. Die Länge des ganzen Nestes beträgt 11 cm, die des nektararmen Larvenproviantes mit den darin verborgenen Eiern 8 cm. Der Nestverschluß besteht hier aus zwei Wänden, die aus Pflanzenmörtel hergestellt sind. Die zuletzt gebaute Wand ist stets nach innen versetzt.

Osmia brevicornis Larven

Ganz anders als bei den meisten übrigen solitären Bienenarten fressen die hier ca. eine Woche alten Larven den Pollenproviant gemeinsam.


Osmia brevicornis Puppen

Nach dem Verzehr des Pollens spinnt sich jede Larve einzeln in einem dunkelbraunen Kokon ein. Zuvor entleeren die Larven ihren Darm und hinterlassen zwischen den Kokons unzählige kleine Kotbällchen. In den Kokons vollzieht sich die weitere Entwicklung über das Puppenstadium bis zur Imago, die im Kokon auch überwintert.

video Das folgende Video (542 MB, 15:43 min) zeigt die verschiedenen der Brutfürsorge dienenden Handlungen im Nest von Osmia brevicornis. Das Video beginnt mit der Herkunft des Weibchen von einem Sammelflug und dem in das Nest Schlüpfen. Im Innern wird zunächst der im Kropf (Vorderdarm) gespeicherte Nektar ausgespuckt und mit dem bei der letzten Heimkunft abgeladenen Pollen vermischt. Da sich das Weibchen im Nest nicht umdrehen kann, schlüpft es nach draußen und kommt rückwärts wieder herein. Dann erfolgt das Ausbürsten des Pollens aus der Bauchbürste mit den Hinterbeinen. Insgesamt finden nacheinander auf diese Weise 9–10 Sammelflüge und Verproviantierungen statt. Für die Eiablage kommt das Weibchen mit voll beladener Bauchbürste zurück. Zunächst präpariert es die Eiablagestelle und schafft gleichzeitig eine kleine Vertiefung. Nach einem erneuten Umdrehen außerhalb des Nestes schiebt das Weibchen seinen Hinterleib bis zur Eiablagestelle und legt das Ei ab. Während der eigentlichen Eiablage ist das Weibchen so gut wie regungslos. Unmittelbar danach deponiert es den Pollen auf das abgelegte Ei. Nach mehreren Eiablagen wird vor dem Proviant, in den hier insgesamt 12 Eier abgelegt worden waren, eine Querwand aus zerkleinerten Blattstückchen gebaut. Ist diese fertiggestellt, wird ein weiterer, etwas dickerer Nestverschluß gebaut, der von dem Nesteingang nach innen versetzt ist. [Ohne Ton. Großansicht empfohlen!] Weitere Informationen zum Verhalten und zur Dauer der einzelnen Handlungen finden sich in einer speziellen Publikation in Eucera 17, S. 15–18.

Blütenbesuch

Oligolektische, auf Brassicaceae (Kreuzblütler) spezialisierte Art.

Bisher festgestellte Pollenquellen:

Bleicher Schöterich (Erysimum crepidifolium)
Duft-Schöterich (Erysimum odoratum)
Niedlicher Schöterich (Erysimum pulchellum)
Schweizer Schöterich (Erysimum rhaeticum)
Goldlack (Erysimum cheiri)
Schöterich-Hybriden (Erysimum cult.)
Ackersenf (Sinapis arvensis)
Hederich (Raphanus raphanistrum)
Garten-Silberblatt (Lunaria annua)
Wildes Silberblatt (Lunaria rediviva)
Rübsen (Brassica rapa)
Raps (Brassica napus)
Schwarzer Senf (Brassica nigra)
Gemüse-Kohl (Brassica oleracea)
Echtes Barbarakraut (Barbarea vulgaris)
Gewöhnliche Nachtviole (Hesperis matronalis)
Blaukissen (Aubrieta deltoidea)
Orientalische Rauke (Sisymbrium orientale)
Französische Hundsrauke (Erucastrum gallicum)
Stumpfkantige Hundsrauke (Erucastrum nasturtiifolium)

Bei meinen Experimenten mit verschiedenen gleichzeitig angebotenen Kreuzblütern wurden Arten der Gattungen Erysimum, Sinapis- und Brassica deutlich bevorzugt; kleinblütige Brassicaceen (z.B. Berg-Steinkraut Alyssum montanum, Felsen-Steinkraut Aurinia saxatilis) hingegen gemieden. Die Weibchen sammeln auf einem Ausflug aber oft an zwei oder drei verschiedenen Brassicaceen-Arten, sofern so viele im Aktionsraum blühen.

Osmia brevicornis

In der zweiten Hälfte der Flugzeit besuchen die Weibchen sehr gerne auch die Gewöhnliche Nachtviole (Hesperis matronalis), die als zweijährige bis ausdauernde Pflanze sowohl wild vorkommt, sich aber auch als Zierpflanze in Gärten findet.

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Kuckucksbienen

Nach einer 1938 von Möschler publizierten Beobachtung soll Stelis phaeoptera in Frage kommen, was ich aber für fraglich halte. An den von mir seit vielen Jahren beobachteten Nestern konnte ich nie eine Kuckucksbiene beobachten.

Phänologie

Univoltin. Fliegt von Ende April bis Ende Juni. Überwinterung als Imago.

Gefährdung und Schutz

Die Art ist derzeit nur von vergleichsweise wenigen, sehr zerstreuten Lokalitäten bekannt. Nach dem von mir bearbeiteten Museumsmaterial zu urteilen, war sie in früheren Jahrzehnten im Siedlungsbereich offensichtlich häufiger. Ein Risikofaktor für die Bestandsentwicklung ist die Abhängigkeit von Totholzstrukturen in Verbindung mit einem ausreichenden Angebot (lange Blühzeitfolge) an Kreuzblütlern. Durch Nisthilfen in Form von Bambusröhrchen und Bohrungen in Hartholz mit 5 mm Durchmesser sowie die Kultur entsprechender Pollenquellen läßt sie sich bisweilen auch in Gärten ansiedeln. Zwar werden von der Art auch verlassene Nistgänge anderer Bienen nach vorheriger Reinigung besiedelt, doch empfiehlt es sich, neue röhrenförmige Hohlräume anzubieten, da diese sehr rasch angenommen werden und der Bruterfolg größer ist.

Synonyme

Osmia atrocaerulea Schilling 1849, Metallinella atrocaerulea Schilling 1849, Osmia panzeri Morawitz 1869

Ein Männchen beim Blütenbesuch an einem Schöterich (Erysimum cult.).

Regelmäßig kann man Männchen oder Weibchen nach dem Schlüpfen sehen, die dicht mit Milben bepackt sind. Die sogenannten Transportnymphen lassen sich in ein neues Nest bringen, wo sie meist als Kommensalen leben.

Paarung von Osmia brevicornis. Beide Geschlechter sind dicht mit Milben besetzt.