Synonyme: Osmia rapunculi (Lepeletier 1841), Chelostoma fuliginosum (Panzer 1798), Chelostoma nigricorne (Nylander 1848)
Chelostoma rapunculi - Männchen. 9–11 mm. Das letzte Hinterleibssegment am Ende breit und stumpf bzw. in drei stumpfen Lappen endend.
Zerstreut in Südeuropa, Mittel- und Nordeuropa. In den Alpen bis 2000 m. – In Deutschland in allen Bundesländern. Auch in Österreich und der Schweiz weit verbreitet.
Waldränder, Waldlichtungen, Streuobstwiesen, oft auch im Siedlungsbereich in Gärten und größeren Parkanlagen (synanthrope Art). Als Nistplätze dienen Totholzstrukturen verschiedenster Art, z.B. abgestorbene Äste, anbrüchige Bäume, »wurmstichige« Balken und Bretter von Holzschuppen, alte Zaunpfähle, Schilfmatten und Reetdächer.
Nistet in vorhandenen Hohlräumen in totem Holz, besonders Insektenfraßgängen. Besiedelt auch Nisthilfen, z.B. Bohrungen in Holz, Bambus- und Schilfröhrchen (Innendurchmesser bevorzugt 3,5 mm). Die Nester sind Linienbauten und enthalten 1–6 Brutzellen. Die Zellzwischenwände und der Nestverschluß bestehen wie bei Chelostoma florisomneaus einem mit Speichel? und Nektar durchtränkten Mörtel aus Lehm oder Sand. Der Nestverschluß ist besonders charakteristisch, weil in den noch weichen Mörtel kleine Steinchen gesetzt werden. Nach dem Trocknen werden die Nestverschlüsse steinhart. Im Laufe des Winter verpilzen die Verschlüsse und erhalten dann ein »schmutziges« Aussehen.
Das Weibchen setzt in den noch frischen und daher feuchten Mörtel des Nestverschlusses kleine Steinchen zur Stabilisierung.
Nestverschluß in einem Bambusröhrchen.
In einem Bambusröhrchen angelegtes Nest mit 3 Brutzellen und Eiern (Nesteingang rechts).
In einem Bambusröhrchen angelegtes Nest mit 3 Brutzellen und wenige Tage alten Larven (Nesteingang rechts).
Je nachdem, an welcher Campanula-Art das Weibchen gesammelt hat, ist der Pollen in der Brutzelle weiß bis hellgelb oder mehr oder weniger rot bis violett.
Um den Larvenproviant für diese Zelle zu sammeln, hat das Weibchen zuerst eine Campanula-Art mit hellgelbem Pollen, dann eine mit violettem Pollen (C. isophylla) besucht. Auf dem Pollenvorrat sitzt die noch junge Larve.
Der Kokon, in dem sich die Larve einspinnt, ist wie bei Chelostoma florisomne weißlich und schwach durchsichtig. Hier ist er teilweise von weißem Campanula-Pollen bedeckt.
Vor allem die Männchen schlafen regelmäßig in Glockenblumen, sie nutzen diese aber auch als Nektarquellen zur Eigenversorgung, denn der Nektar der Glockenblumen ist allen kurz- und langrüsseligen Wildbienen zugänglich.
Regelmäßig kann man die Männchen außer in Glockenblumen auch in Storchschnabel-Blüten Nektar trinken sehen, hier in einer Blüte des Pyrenäen-Storchschnabels (Geranium pyrenaicum).
Die Weibchen sind oligolektisch und auf Campanula und nah verwandte Gattungen (Campanulaceae) spezialisiert.
Bisher bekannt gewordene Pollenquellen:
Ein Weibchen bei der Pollenernte in der Blüte der Ranken-Glockenblume (Campanula poscharskyana) zu Beginn der männlichen Phase
der Blüte.
Vergleiche den weißen Pollen in der Bauchbürste der Biene (Transportspeicher) und den weißen Pollen auf der Griffelstange der Blüte.
Blüten der Campanula Arten sind proterandrisch und zeigen eine Besonderheit in der Pollendarbietung. Die 5 Staubblätter, die als »Saftdecke« den Nektar schützen, öffnen sich schon in der Knospe und entleeren ihren blau-violetten, gelblichen oder weißen Pollen auf den im unteren Teil stark behaarten Griffel. Dieser dient damit in seiner ersten Phase als »Staubblatt«. Im Laufe der männlichen Phase ziehen sich die Griffelhaare handschuhfingerartig in sich selbst zurück. Der Pollen kann nun leichter geerntet werden oder auch abfallen, so daß der Griffel vor Beginn der weiblichen Phase so gut wie frei von eigenem Pollen ist. Die Filamente welken, aber ihre stark, oft dreieckig, verbreiterten Basen bleiben als den großen Nektartropfen überdachende »Saftdecke« bestehen. Dann spreizen sich die 3–5 Narbenäste und werden mit Pollen aus anderen Blüten belegt.
Dieses Weibchen kann in der Blüte, die es gerade besucht, nur noch Nektar tanken, denn der Pollen ist von der Griffelstange völlig abgeerntet. Die Blüte ist nämlich bereits in der weiblichen Phase, was auch die drei weit gespreizten Narbenäste der Campanula poscharskyana zeigen.
Pollensuchende Weibchen zwängen sich oft in die noch geschlossenen oder sich gerade öffnenden Blüten, um den dann noch reichlich vorhandenen Pollen von der Griffelbürste zu ernten. Kurz vor dem Verlassen der Blüte hat hier das Weibchen den meisten Pollen bereits abgestreift und in seine Transportbürste umgelagert.
Nach einer alten Literaturangabe (Benoist 1929) soll die Weißfleckige Düsterbiene (Stelis breviuscula) bei Chelostoma rapunculi schmarotzen, was mir aber nach meinen jahrelangen Beobachtungen beider Arten sehr fraglich erscheint. (Wirte von Stelis breviuscula sind die beiden Löcherbienenarten Heriades truncorum und Heriades crenulatus.) Kornmilch (1993) fand die Kokons von Stelis minuta in Nestern von C. rapunculi.
Univoltin. Flugzeit von Mitte Juni bis Ende August. Hauptnistaktivität von Anfang Juli bis Mitte August.
Die im allgemeinen nicht seltene Art kann stellenweise noch in größerer Zahl nachgewiesen werden, vor allem durch gezielte Suche an artspezifischen Pollenquellen. Man könnte die Art daher für nicht gefährdet halten. In der intensiv genutzten Agrarlandschaft hat die Art aber kaum noch eine Überlebenschance, da dort heute meist die Pollenquellen und oft genug auch die Nistplätze fehlen. Die Erhaltung strukturreicher Waldränder mit besonnten Totholzstrukturen und blütenreichen Säumen ist für den Schutz dieses Teilsiedlers außerhalb der Siedlungen unverzichtbar. Für den Siedlungsbereich gilt – zumindest für die Parkanlagen – das gleiche. Im Garten und selbst auf dem Balkon läßt sich die Art durch Nisthilfen für Hohlraumbewohner ansiedeln, sofern in unmittelbarer Umgebung für ein ausreichendes Angebot verschiedener Glockenblumen gesorgt wird.
Selbst auf dem Balkon kann man mit Glockenblumen einige spezialisierte Bienenarten anlocken und fördern. Auf meinem früheren Balkon war diese aus den Bergen Liguriens stammende, nicht winterharte Campanula isophylla eine attraktive Pollenquelle. Sie hat im Gegensatz zu den meisten anderen Glockenblumen einen violetten Pollen.