Auf den ersten Blick ist A. byssinum nicht als Mitglied des Tribus Anthidiini (Woll- und Harzbienen) zu erkennen. Die Art ähnelt nämlich in ihrem äußeren Erscheinen eher einer Osmia, z. B. Osmia aurulenta. In Habitus und Färbung ist sie aber auch Anthidium montanum sehr ähnlich. Männchen: 11–12 mm. Körper mit Ausnahme des gelb gefärbten Gesicht ohne helle Flecken. Abdomenende im Unterschied zu vielen anderen Anthidium-Arten nicht bewehrt. Weibchen: 11–12 mm. Thorax fuchsrot behaart. Hinterleib spärlich hellbraun behaart mit unauffälligen Haarbinden an den Tergitenden. Bauchbürste weiß. Beide Geschlechter sind mit Erfahrung im Feld bis zur Art zu bestimmen. [Großansichten: auf Bild klicken]
Anthidium byssinum, Männchen in Frontalansicht.
Anthidium byssinum, Weibchen in Frontalansicht.
In Deutschland weit verbreitet, von der Ebene bis in höhere Gebirgslagen (in den Schweizer Alpen bis 2300 m). Im Flachland selten, im Gebirge mäßig häufig.
Vorwiegend in den Mittelgebirgen und dort an südexponierten Waldrändern, die unmittelbar an Magerrasen grenzen oder die einen breiten, krautigen Saum besitzen; auch auf breiten, sonnigen Waldwegen oder -lichtungen mit größeren Lotus-Beständen; außerdem auf Binnendünen, in Sandheiden, in alten Weinbergbrachen, auf extensiv beweideten oder brachgefallenen Schafweiden (Wacholderheiden) sowie in aufgelassenen Sandgruben und Steinbrüchen; oft syntop mit Anthidium strigatum. Nester bevorzugt an leicht geneigten, mehr oder weniger südexponierten Stellen, die nicht oder nur schütter bewachsen sind und wo der Boden zumindest etwas verfestigt ist (z. B. durch Tritt, Moos, Graswurzeln). Nimmt mit verschiedenen Bodenarten vorlieb und nistet auch in humosem Boden, am häufigsten werden aber sandiger Boden oder Lösslehm besiedelt. In der Nähe des Nistplatzes sind Nadelbäume, v. a. Kiefern (Pinus sylvestris), und Laubgehölze als Lieferanten von Materialien für den Bau der Brutzellen erforderlich. Die Weibchen sammeln bisweilen 100–200 m vom Nistplatz entfernt. Teilsiedler.
Ausgedehnter, regelmäßig im Sommer von Schafen beweideter Kalkmagerrasen auf der Schwäbischen Alb (bei Gönningen, ca. 800m üNN). Der Magerrasen liefert Nistplatz und Futterquellen, der Waldrand das benötigte Baumaterial. [Für Großansicht auf Bild klicken]
Nistet in selbstgegrabenen Hohlräumen in der Erde, einzeln oder in kleinen Kolonien (Ansammlungen von 10–50 Nestern). Das Nest ist eine sich verzweigende Erdröhre von 10–15 cm Länge. Zum Bau der Brutzellen wird der Gang mit 15–25 mm langen, 2–3 mm breiten Blattstreifen ausgekleidet, die aus Blättern von Birken (Betula), Weißdorn (Crataegus), Rotbuchen (Fagus sylvatica), Stiel-Eichen (Quercus robur), Rosen (Rosa), Brombeeren (Rubus fruticosus) oder Weidenröschen (Epilobium) mit den Mandibeln ausgeschnitten werden. Während des Schneidens wird der Blattstreifen unter dem Körper spiralig zusammenrollt. Im Nest läßt die Biene die Blattrolle in dem als Brutzelle vorgesehenen Gang los. Aufgrund seiner Spannung legt sich der Blattstreifen von selbst an die Wandung an. Auffallend ist sein rauh gezackter, fast gesägter Schnittrand, der bei Blattchneiderbienen (Megachile) viel glatter ist. Für eine Brutzelle werden 7–14 Streifen benötigt. Sie werden innen mit Harz von Kiefern (Pinus sylvestris), möglicherweise auch von Fichten (Picea abies) überzogen. Teilweise dienen auch frische Baumstümpfe oder frisch gefällte Baumstämme als Harzlieferanten. Die Harzbrocken kleben beim Transport an den Unterseiten der geschlossenen Mandibeln und an der Kopfunterseite. Für jede Brutzelle werden 20–30 Harzbrocken benötigt, deren Eintragen rund 2–3 Stunden dauert. Das Harz wird zunächst nicht verarbeitet, sondern am Grunde der Zelle aufgestapelt. Erst wenn genügend Harz herbeigeschafft worden ist, wird es an der Innenwand zu einer dünnen Schicht verstrichen, wodurch die Blattstreifen zu einem Ganzen verklebt werden. (Adlerz 1904, Bellmann 1974, 1981, Boheman 1852, Bonelli 1964a, 1968a, Ferton 1897a, Friese 1923, 1926, Hachfeld 1926, Huber 1824, Pasteels 1977, Sahlberg 1890, Westrich 1990, 2019).
Im rechten Teil des Bildes befindet sich ein Nistplatz von Anthidium byssinum. Die Nester wurden hier an kleinen, lückigen Stellen der Grasnarbe angelegt.
Von Anthidium byssinum besiedelte Lößböschung an einem Waldrand (Schönbuch südlich von Stuttgart).
Das Weibchen beim Eintragen eines Blattstreifens, der spiralig aufgerollt mit den Oberkiefern transportiert wird.
Der Harzbrocken, den das Weibchen für die Herstellung der Brutzelle benötigt, klebt unter dem Kopf. Er wird im Flug zum Nistplatz gebracht und in die Niströhre eingetragen und dort nach dem Einbringen der Blattstreifen verarbeitet.
Auf dem Weg zum Nest rastet ein Weibchen mit einem großen Harzbrocken unter den Mandibeln und unter dem Kopf.
Das folgende Video (3 min 32 sec, 258 MB) entstand aus Filmaufnahmen, die ich im Juni 2012 auf der Schwäbischen Alb auf einem Magerrasen gemacht habe. Es zeigt zunächst das Graben eines Hohlraums, dann das Eintragen von Blattstreifen und Harz als Baumaterialien für die Brutzellen und schließlich das Eintragen von Pollen in das Nest [ohne Ton, Großansicht in Full HD empfohlen.]
Oligolektische, auf Fabaceae (Schmetterlingsblütler) spezialisierte Art (Müller 1996a, Westrich 1990). Hauptpollenquelle ist der Gewöhnliche Hornklee (Lotus corniculatus). Insbesondere dort, wo dieser nur vereinzelt oder gar nicht blüht, wird auch an anderen Fabaceen Pollen gesammelt. Belegt sind: Sumpf-Hornklee (Lotus pedunculatus), Futter-Esparsette (Onobrychis viciifolia), Kriechende Hauhechel (Ononis repens), Dornige Hauhechel (Ononis spinosa), Vogel-Wicke (Vicia cracca), Verschiedenblättrige Platterbse (Lathyrus heterophyllus), Wald-Platterbse (Lathyrus sylvestris), Knollen-Platterbse (Lathyrus tuberosus), Wiesen-Platterbse (Lathyrus pratensis), Luzerne (Medicago sativa), Bunte Kronwicke (Coronilla varia). Müller (1996) fand in den Pollenladungen auch Pollen anderer Pflanzenfamilien, jedoch in einem Anteil von unter 5%. – Die Weibchen zeigen meist eine hohe Blütenstetigkeit, insbesondere wenn sie an Lotus sammeln, oft werden aber auch zwei, gelegentlich auch drei Pflanzenarten während eines Sammelfluges genutzt. Alle genannten Pollenquellen außer Ononis und Coronilla bieten auch Nektar, der dem Larvenproviant reichlich beigemischt wird. Die Männchen patrouillieren häufig an Lotus.
Anthidium byssinum. Ein Männchen trinkt Nektar in der Blüte der Futter-Esparsette (Onobrychis viciifolia).
Ein Weibchen von Anthidium byssinum beim Blütenbesuch an der Futter-Esparsette (Onobrychis viciifolia).
Coelioxys conica konnte mehrfach an den Nistplätzen beobachtet werden (Blüthgen 1916, 1919a, Friese 1923, 1926, Alfken 1913b, eig. Beob.). Vermutlich kommt auch Dioxys tridentata in Frage (vgl. Petit 1986).
Univoltin. Flugzeit von Anfang Juni bis Mitte August. Überwinterung als Ruhelarve im Kokon.
Anthidium byssinum: Ein Weibchen hat sich mit den Oberkiefern zum Schlafen an der Ähre eines Grashalms festgebissen.
Apis byssina Panzer 1798
Trachusa byssina (Panzer 1798)
sensu Michener (2007), Litman et al. (2016) und Kasparek (2022).
Trachusa serratulae Panzer 1805
Bezüglich der im obigen Text genannten Literaturangaben verweise ich auf das Literaturverzeichnis in meinem Werk:
Westrich, P. (2019): Die Wildbienen Deutschlands.– 2., aktualisierte Auflage, 824 S., 1700 Farbfotos. Stuttgart (E. Ulmer).