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Erfolgreiche Wiederansiedlung der Schwarzen Mörtelbiene (Megachile parietina)

Seit mehreren Jahren betreue ich im Auftrag des Regierungspräsidiums Tübingen eine Population von Megachile parietina im Neckartal zwischen Tübingen und Rottenburg (Baden-Württemberg). Da bislang nicht bekannt ist, daß dieses Vorkommen auf einen von mir 1990 begonnenen Versuch einer Wiederansiedlung zurückgeht, habe ich die Entwicklung von damals bis heute in einer neuen Publikation dokumentiert. Diese hat den Titel: »Über eine gelungene Wiederansiedlung der Schwarzen Mörtelbiene (Megachile parietina) [Geoffroy, 1785]) (Hymenoptera, Apidae)«. Diese Publikation ist mittlerweile in den Entomologischen Nachrichten und Berichten, Band 51 (Heft 3/4), S. 197-201 erschienen. Das vollständige Zitat findet sich auch hier.

Die Publikation können Sie hier herunterladen (1,9 MB).

Der Ansiedlungsort — Bau neuer Brutzellen

Im Frühling des Jahres 1990 besuchte ich im Schweizer Randen, wo die Art ebenfalls vorkam, eine Kiesgrube, in der Megachile parietina u.a. an größeren Kieseln Nester mit jeweils mehreren Brutzellen gebaut hatte. Die Nester waren durch die Verfüllung der Kiesgrube unmittelbar bedroht. Dies nahm ich zum Anlaß, drei Steine mit jeweils ca. 4–6 Brutzellen mitzunehmen, um am Tübinger Spitzberg, einer früher von der Art besiedelten Lokalität, eine Wiederansiedlung zu versuchen. An diesem von Osten nach Westen verlaufenden Keuper-Höhenzug nördlich des Neckars war 1980 ein ca. 22 ha großes Naturschutzgebiet »Hirschauer Berg« ausgewiesen worden, in dem zahlreiche Trockenmauern und einzelne größere Steine als potentielle Nistplätze in Frage kamen und das auch geeignete Pollen- und Nektarquellen aufzuweisen schien. Hier sollte der Versuch einer Wiederansiedlung gestartet werden.

Hirschauer Berg

Südhang des Hirschauer Bergs westlich von Tübingen, eine in Jahrhunderten gewachsene, kleinstruktuierte Weinberglandschaft, nach den vielen Rebflurbereinigungen mittlerweile ein historisches Kleinod. Die Steine mit den Nestern wurden im Vorfrühling in einer Trockenmauer am Oberhang untergebracht. (Das Foto entstand wenige Monate vor der Ansiedlung.)

Mir war bewußt, daß ein Versuch einer Wiederansiedlung kritisch zu hinterfragen ist. Andererseits war damals die mit Fragen des Artenschutzes befaßte Fachwelt der Auffassung, daß Wiederansiedlungen, Bestandsstützungen und Umsiedlungen in begrenztem Maß als Teil des Artenschutzes anzuerkennen sind. Im vorliegenden Fall waren die Kriterien für Ansiedlungsvorhaben erfüllt, die als Empfehlungen 1981 im Rahmen eines Kolloquiums der Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege verabschiedet worden waren. Ein möglicher Einwand, die Entnahme von Individuen aus einer existierenden Population könnte diese schädigen, kann damit entkräftet werden, daß die umgesetzten Brutzellen ohnehin der Vernichtung preisgegeben waren.

Megachile parietina - wiederbenutztes Nest

Eins der 1990 eingebrachten Nester wurde im gleichen Jahr wiederbenutzt, indem einzelne Brutzellen von einem Weibchen gereinigt, verproviantiert, mit einem Ei beschickt und mit dem an der neuen Lokalität rötlichen Lehm der hier anstehenden »Bunten Mergel« verschlossen wurden. Am oberen Rand sind alte, verlassene Brutzellen zu sehen.

Megachile parietina - Brutzelle an Bruchstein

Mitten auf einem größeren Bruchstein einer Trockenmauer ganz in der Nähe der eingebrachten Nester wurde 1990 eine der ersten Brutzellen gebaut, der Beginn eines vollständig neuen Nestes.

Megachile parietina - BrutzelleMegachile parietina Brutzelle mit Pollen

Links: Noch im Bau befindliche Zelle am oberen Nistplatz. Noch sind die einzelnen, kleinen Steinchen als wesentliches Bauelement zu sehen. Sie werden später mit feinerem Mörtel übermauert. Rechts: Blick in die linke Brutzelle. Auf einem recht flüssigen, da nektarreichen Futterbrei schwimmt frisch abgeladener Pollen, dessen leuchtend gelbe Farbe die Herkunft verrät: Futter-Esparsette (Onobrychis viciifolia).

Bestandsentwicklung 1991 bis 2007

Bald nach der Ansiedlung, aber zu einem heute nicht bekannten Zeitpunkt, wanderten einige Weibchen vom Südhang ins Neckartal und besiedelten dort in einer Entfernung von 1,7 bis 2,3 km an mehreren Stellen neue, überwiegend anthropogene (vom Menschen geschaffene) Nistplätze, die wegen ihrer unbewachsenen Oberfläche offensichtlich attraktiver waren als die von Flechten und Algen bewachsenen Trockenmauern am Ansiedlungsort (u.a. Betonrohre, Stahlträger, Eisenmulden, Schachtdeckel, Rad eines Förderbands, metallene Fensterrahmen, Isolatoren, Mauersteine).

Megachile parietina - Nester an Betonrhr

Nester (Nr. 17 und 18) in den Ecken eines Flansch eines Betonrohres (rechte Seite des linken Rohrs) auf dem Gelände eines Betonröhrenwerks im Jahr 2003. Unglücklicherweise wurden die Betonröhren mit den Nestern im Zusammenhang mit dem späteren Konkurs des Unternehmens abtransportiert, wodurch die Population herbe Verluste erlitt.

Megachile parietina - Nest an Brunnenschacht

Im Jahr 2002 gebautes Nest an einem eisernen Brunnenschacht.

Megachile parietina - wiederverwendetes Nest

Zustand des vorigen Nestes im Jahr 2007 während der Brutzeit (28. April). Zu sehen sind nicht nur vier verlassene Zellen, sondern auch ein »Anbau« auf der rechten Seite und die Wiederverwendung zweier Brutzellen am Oberrand (dicht unterhalb des Eisendeckels). Dieser Nistplatz wurde also mindestens 6 Jahre lang genutzt.

Megachile parietina - Nest an Rad

Frisches Nest in den Vertiefungen eines Reifens einer Kiesförderanlage in einer Kiesgrube.

Megachile parietina - Nester auf einer Ziegelwand

Mehrere Nester auf der Oberfläche einer Ziegelwand und eines metallenen Fensterrahmens.

Megachile parietina - Brutzelle an einem Fenster mit bauendem Weibchen

Ein Weibchen baut an einer Brutzelle eines Nestes, das in einer Ecke zwischen dem Fensterrahmen und der Hauswand angebracht wird.

Obwohl ein Teil der Nester wieder zerstört wurde, nahm der Bestand im Laufe der Jahre deutlich zu und erreichte 2007 die Zahl von über 100 Nestern, die sich auf mindestens 5 Stellen verteilen.

Nahrungsansprüche und Entwicklungszyklus im Neckartal

Durch Pollenanalysen konnte ich die hohe Bedeutung der Futter-Esparsette (Onobrychis viciifolia) als Pollenquelle belegen, deren Erhaltung im Neckartal durch die Fortführung der extensiven Bewirtschaftung von Magerwiesen im Rahmen eines Bewirtschaftungsvertrags auch in nächster Zukunft gesichert erscheint. 

Megachile parietina an Onobrychis
Bombus sylvarum an Onobrychis

Esparsetten (Onobrychis) haben eine besonders hohe Bedeutung als Pollenquellen der Mörtelbiene, aber auch als Lieferanten des Nektars, der auch zur Herstellung des Mörtels zum Bau der Zellen benötigt wird. — Auch andere Wildbienen wie die links abgebildete Königin der Bunthummel (Bombus sylvarum) nutzen die Esparsetten als ergiebige Pollen- und Nektarquelle.

Die Untersuchungen im Neckartal zeigen außerdem, daß die Mörtelbiene hier eine zweijährige Entwicklung vom Ei bis zum Schlüpfen der Imago hat. Diese Tatsache ist bei allen Schutzmaßnahmen (Erhaltung von Nistplätzen) unbedingt zu berücksichtigen, da es bedeutet, alle neu gebauten Nester mindestens zwei Jahre vor einer Beschädigung oder Zerstörung zu bewahren.

Schutzmaßnahmen

Mit den Eigentümern der Gebäude bzw. der Objekte, an denen sich derzeit Nester der Mörtelbiene befinden, wurden Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung vereinbart. So werden u.a. alte Nester außerhalb der Brutzeit beseitigt und der Untergrund gereinigt, um die Attraktivität des einmal gewählten Nistplatzes auch in Zukunft zu erhalten. Um auch ein ausreichendes Nektar- und Pollenangebot zu sichern, wurde mit einem Landwirt ein Bewirtschaftungsvertrag geschlossen, der mit einer finanziellen Förderung aus Landschaftspflegemitteln verbunden ist. Dieser sichert eine extensive Bewirtschaftung zur Förderung der hier in einem sehr großen Bestand wachsenden Futter-Esparsette (Onobrychis viciifolia) durch einen Mahdtermin frühestens am 1. Juli und Verzicht auf jegliche Düngung. Da am Hirschauer Berg der Onobrychis-Bestand verhältnismäßig klein ist, soll die wichtige Pollenquelle auf einer Terrasse innerhalb des Naturschutzgebietes gezielt ausgesät werden, um dieses Gebiet für die Mörtelbiene wieder attraktiver zu machen, zumal neu errichtete Trockenmauern zusätzliche Nistgelegenheiten bieten.

Magerwiese im Neckartal

Artenreiche Magerwiese im Neckartal mit einem großen Bestand der Futter-Esparsette und anderer Nahrungspflanzen, die für Wildbienen attraktiv sind. Solch bunte Wiesen gehören mittlerweile zu den Raritäten in unserer Landschaft. Der Verlust solcher Magerwiesen durch eine von reichen Düngergaben sowie frühen Mähzeitpunkten (Paketsilage!) und mehr als zwei Schnitten gekennzeichnete Landwirtschaft ist in weiten Teilen unserer Landes für den Rückgang vieler Wildbienenarten und anderer Insekten (Tagfalter, Heuschrecken) verantwortlich. Sofern solche Magerwiesen erfaßt und von den zuständigen Behörden gemeldet wurden, gibt es eine rechtliche Grundlage für ihre Erhaltung (sie entsprechen dem Lebensraumtyp 6510 der FFH-Richtlinie der EU, Fauna = Tierwelt, Flora = Pflanzenwelt, Habitat = Lebensraum).

Fazit

Berücksichtigt man die deutliche Zunahme der Nester von ursprünglich drei im Jahre 1990 auf über hundert im Jahre 2007, so kann der Versuch der Wiederansiedlung der Schwarzen Mörtelbiene im Neckartal 17 Jahre nach Beginn des Vorhabens als gelungen bezeichnet werden.

Es bleibt zu hoffen, daß die jetzt zweifelsfrei bodenständige Population noch möglichst lange Bestand haben wird. Voraussetzung ist natürlich, daß die Schutzbemühungen auch weiterhin greifen und keine unerwarteten Ereignisse eintreten, die ein erneutes Erlöschen zur Folge haben. Es ist nicht auszuschließen, daß in Zukunft einzelne Weibchen von der derzeitigen Kernpopulation auswandern und neue Nistplätze neckaraufwärts oder im benachbarten Ammertal besiedeln. Regelmäßige Kontrollen im Rahmen des Artenschutzprogramms werden über die weitere Bestandsentwicklung Auskunft geben.

Das Regierungspräsidium Tübingen (Ref. Naturschutz und Landschaftspflege) hat das Projekt im Rahmen des Artenschutzprogramms in den Jahren 2003 bis 2007 finanziell gefördert.

Eine detaillierte Darstellung der Art mit weiteren Fotos finden Sie in diesem Steckbrief.

16. März 2008