Im Juli 2008 photographierte E. Barbier bei Allauch in der Nähe des Hafens von Marseille (Frankreich) erstmals eine Bienenart, die bis dato aus Europa nicht bekannt war und bei der es sich um Megachile sculpturalis Smith handelte (Vereecken & Barbier 2009). Die außerordentlich große Art ist ursprünglich in China, Korea, Taiwan und Japan beheimatet und damit eine ostpaläarktisch-orientalische Art (Iwata 1933, Wu 2005). 1994 wurde sie erstmals in North Carolina (USA) entdeckt (Mangum & Brooks 1997), von wo sie sich nach und nach über weitere Bundesstaaten ausgebreitet hat (Ascher 2001, Tonietto & Ascher 2008).
Die polylektischen Weibchen bauen ihre Brutzellen in vorhandenen Hohlräumen und verwenden hierzu Harz, trennen aber die einzelnen Zellen mit mineralischen Substraten wie z.B. Lehm (Tsuneki 1970). Da eines der von Barbier gemachten Photos beide Geschlechter zeigt, ist bereits eine der Voraussetzungen für eine Vermehrung und Ausbreitung gegeben. Weitere für den Nestbau erforderliche Requisiten wie vorhandene Hohlräume zur Anlage des Nestes sowie Harz und Lehm für den Bau der Zellen sind in Südfrankreich reichlich vorhanden. Vereecken und Barbier (2009) stellen sich daher zu Recht die Frage, ob sich die Art in Südfrankreich wohl etablieren wird.
Am 28. Juli 2012 erhielt ich eine Nachricht von Frau Christa Gihr, die in ihrem ca. 30 km nördlich von Manosque (Dep. Alpes-de-Haute-Provence) gelegenen Garten eine über 2 cm große Solitärbiene beim Nestbau in Bohrlöchern von 10 mm Durchmesser (Nisthilfe aus Holz) beobachtet hatte. Da sie verständlicherweise die Art nicht kannte, äußerte sie die Vermutung, daß es sich um einen Einwanderer handeln könnte. Die beigefügten Photos zeigten zweifelsfrei ein Weibchen von Megachile sculpturalis. Frau Gihr hatte also mit ihrer Vermutung recht.
Der Fundort liegt rund 100 km nordöstlich von Marseille. Bis hierher hatte sich die Art also innerhalb von 4 Jahren seit dem Erstnachweis 2008 ausgebreitet. Unbekannt ist jedoch, wann die Art eingeschleppt wurde und ob die 2008 erstmals beobachteten Exemplare bereits Nachkommen vorher eingeschleppter Bienen waren.
Frau Gihr erlaubte mir, ihre Beobachtungen zusammen mit den von ihr gemachten Photos an dieser Stelle zu veröffentlichen, wofür ich ihr sehr herzlich danke.
Megachile sculpturalis, Weibchen, beim Nestbau in einer Nisthilfe aus Holz. Die von dem Weibchen genutzte Bohrung hat einen Durchmesser von 10 mm. (Fotos: C. Gihr).
Die ersten von Frau Gihr gemachten Notizen enthalten folgende Angaben:
»Es handelt sich um zwei Weibchen, die zwei verschiedene Gänge als Nistplatz nutzen. Ein drittes Individium flog einmal umher, erschien aber kein zweites Mal. Die Vorbereitung des Ganges dauert ziemlich lange. Oft verschwindet die Biene 5–10 Minuten lang im Gang. Später bringt sie im Flug helles, ziemlich krümeliges Harz. (Dies erstaunt mich, weil wir zwischen 25 °C und mittags 32 °C haben.) Um Harz einzutragen, erfolgen die Flüge meist im Minutentakt. Die Verarbeitung dauert manchmal etwas länger und zwar 3–5 Minuten. Das Weibchen befestigt eine Harzkugel unterhalb des Einfluglochs. Anschließend kommt es mit der Bauchbürste voller gelben Pollen wieder. Es kam vor, dass das 2. Weibchen die Harzreserve vor dem Eingang stiehlt. Während es seinen Nesteingang verschloss, flog es nicht mehr fort, da es alles bei der Nachbarin stahl. Diese jedoch flog 10 Minuten lang immer wieder fort, um die Harzreserve zu erneuern. Alle Nester wurden schließlich mit lehmiger Erde verschlossen. Der Verschluss ist nicht eben, sondern weist nach innen eine Wölbung auf. Je mehr sich der Nestbau seinem Ende zuneigt, desto öfter fliegen die Bienen Kreise vor der Nisthilfe oder inspizieren andere Gänge. Die Weibchen sind nicht scheu und lassen sich bei der Arbeit nicht stören. Zwei Weibchen, die ihre Gänge in nur 2 cm Abstand voneinander verschließen, drohen mit weitaufgerissenen Oberkiefern. Manchmal fliegt ein Weibchen bei der Rückkehr auf den Rücken ihrer Nachbarin. Beide fallen dann sofort auf ein darunter liegendes Brett und fliegen in verschiedenen Richtungen davon.«
Frau Gihr setzte ihre Beobachtungen weiter fort. Ihre von mir nur geringfügig veränderten Aufzeichnungen enthalten folgende Details:
»Zuerst macht das Weibchen einen Pfropfen aus Harz auf die Rückwand, dann tapeziert es den ganzen Gang mit Harz. Dieses kann mehrere Stunden dauern (Ich habe dieses 3 Stunden lang beobachtet, aber der Pfropfen war schon angefangen, als ich mit der Beobachtung begann). Während dieser Zeit fliegt es zu den nahegelegenen Tannen und bringt manchmal sehr große Kugeln von hellem, krümeligen Harz und manchmal auch eher wenig Harz, das flüssig und dunkel gefärbt ist. Diese Flüge dauern nur 1–2 Minuten. Die Verarbeitung kann jedoch 10 oder 15 Minuten dauern, manchmal auch nur 1 oder 2 Minuten. Immer wieder fliegt das Weibchen andere Gänge an, kriecht hinein, kommt heraus, kriecht rückwärts hinein und fliegt erst dann fort, um eine neue Ladung Harz zu holen. In dieser Zeit befestigt es auch Harz unterhalb des Nesteinganges. Später fliegt es aus, um Pollen einzutragen. Diese Flüge dauern ziemlich genau 15 Minuten. Nach meinen Beobachtungen sind ungefähr 10 Flüge notwendig, um genügend Pollen einzutragen. Bei der letzten Beobachtung dauerten die ersten beiden Polleneintragsflüge 30–35 Minuten, danach wieder 11–15 Minuten. Beim letzten Sammelflug blieb die Biene jedoch eine Stunde fort. Der Beobachtungszeitpunkt war allerdings auch nicht der gleiche. Normalerweise fanden die Beobachtungen von 17– 20 Uhr statt und bei einer Temperatur von 32–35 °C; um diese Uhrzeit liegt das Nistholz im Schatten. Die letzten Beobachtungen wurden von 9–18 Uhr gemacht. Die ersten Flüge fanden bei 20 °C statt. Von 12–15 Uhr ist die Nisthilfe der prallen Sonne ausgesetzt.
Wenn das Weibchen mit dem Pollen zum Nest kommt, krabbelt es zunächst vorwärts ins Nest, kommt wieder heraus, dreht sich dann draußen um und kriecht rückwärts wieder hinein. Das Abstreifen des Pollens dauert 2 oder 4 Minuten (Bei der größeren Biene hat es immer 4 Minuten gedauert. Zufall?). Bei den letzten Beobachtungen dauerte es eher 6 Minuten (An seinen beschädigten Flügelspitzen ist das Individuum gut erkennbar). Der Pollen wird wie ein Pfropfen in der ganzen Höhe im Gang angebracht. Anschließend erscheint das Weibchen im Eingang mit dem Kopf draußen, bleibt so eine halbe Minute und fliegt davon. Manchmal setzt es sich etwas abseits auf das Holz, um sich kurz zu putzen oder um einen anderen Gang zu inspizieren (es kriecht vorwärts und anschließend rückwärts hinein). Nach den ersten Flügen kann es auch vorkommen, dass es noch einmal Harz holt und es im Gang verteilt oder etwas davon außen anklebt.
Nachdem der Polleneintrag erledigt ist, legt das Weibchen ein ziemlich langes (ca. 5 mm) und sehr schmales Ei auf den Pollen. Das Ei wird nicht mit dem Ende in den Pollen gesteckt, sondern aufrecht der Länge nach von oben nach unten in die Mitte auf den Pollen geklebt. Dieser ist übrigens ziemlich zähflüssig und klebrig. Danach fängt die Biene an, ungefähr mit einem Abstand vom Pollen von einem halben Zentimeter im Gang einen Harzkranz zu bauen. Der Harzkranz wird anschließend völlig verschlossen und als Pfropfen verdickt. Ein zweiter Pfropfen wird kurz vor dem Eingang angefertigt und mit Erde abgeschlossen. Die Gänge, die ich gebohrt habe sind anscheinend zu kurz, um zwei Brutzellen anzulegen.
Die Bienen schlafen nachts oft in ihren Gängen oder in Nachbargängen, selbst wenn ihr Gang aufgrund der Nistarbeiten schon zu kurz für die Biene ist. Ein Teil des Hinterleibs ragt dann ins Freie. Nie schlafen die Weibchen mit dem Kopf nach außen.
Das Verhalten dieser Bienen ist machmal merkwürdig. Eines Abends, als ich um 18 Uhr zur Nisthilfe kam, führte eine der Bienen einen seltsamen Tanz auf. Sie drehte sich mit dem Kopf und dem halben Thorax im Gang steckend, hin und her. Sie war mit Pollen beladen und begann diesen nach einiger Zeit mit den Hinterbeinen abzustreifen, so dass dieser zu Boden fiel. Nach einer halben Stunde verlor sie den Halt und fiel hinunter. Da sah ich den Grund für die ganze Aufregung: Eine andere Biene war im Gang und benutzte die Gelegenheit, nicht um davonzufliegen, wie ich gedacht hätte, sondern um sich draußen schnell umzudrehen und vorwärts wieder in den Gang zu kriechen. Die andere Biene attackierte wieder, verlor wieder den Halt, aber der Eindringling wurde letztendlich vertrieben.
Ein anderes Mal besetzten die beiden Bienen zwei Gänge die sich in einem ziemlich kleinen Abstand (5 cm) von einander befanden. Die etwas größere Biene flog fast bei jedem Abflug kurz zu der Nachbarin, entweder um dort Harz zu holen oder um die kleinere Biene, wenn diese in ihrem Loch war, mit den Mandibeln am Hinterleib zu packen und ein wenig aus dem Loch zu ziehen. Diese ließ sich aber anscheinend nicht dadurch stören. Sie blieb einen Moment regungslos mit dem Hinterleib halb aus dem Loch schauend und arbeitete dann einfach wieder weiter. Der Diebstahl von Harz war allerdings gegenseitig, außer dass die kleine Biene am Loch der Nachbarin nur außen das Harz stahl. Am nächsten Tag wurde die große Biene immer dreister. Wieder waren die neuen Nester ziemlich nahe beieinander und jetzt zog sie sogar die kleinere Biene völlig aus ihrem Loch, um hineinzukriechen und innen Harz zu holen. Als ich am nächsten Abend zur Nisthilfe kam, war die kleine Biene an ihrem Loch. Sie war mit Pollen beladen. Sie kroch in das Loch, kam heraus, flog andere Löcher an, kroch hinein, kam wieder zu ihrem Nestgang zurück, kroch hinein und begann letztendlich den Pollen außerhalb abzustreifen. Dieser fiel vor der Nisthilfe auf den Boden. Nach langer Zeit ziemlich ziellosen Umherfliegens und Umherkrabbelns flog sie letztendlich fort um eine Harzkugel zu holen und den Nestgang zu verschließen. Ich hatte hineingeschaut, der Gang war fast leer, nur im hinteren Teil war ein wenig Harz zu sehen. Ihre Nachbarin hat ihn wahrscheinlich in ihrer Abwesenheit ausgeräumt. Diese beendete in der Zwischenzeit in aller Ruhe den Polleneintrag, die Eiablage und den Beginn des Harzkranzes. Um dann die ziemlich lose aufeinandergeschichteten Harzkugeln des frischen Nestverschlusses nebenan zu stehlen. Die Kleine erreichte es trotz allem, genug Harz einzutragen um die Befestigungsarbeiten anzufangen. Inzwischen war es allerdings 20.30 h und ich musste die beiden Streithähne verlassen. Am nächsten Morgen war der Nestgang der kleinen Biene leer, der Harzpfropfen war verschwunden und abends war die große Biene dabei, Harz darin einzutragen. An diesem Tag flog die Kleine Immer wieder die Nisthilfe an, um Gänge zu inspizieren, fing aber keinen neuen Gang an. Die Tage darauf sah ich sie überhaupt nicht mehr.«
Die letzte Beobachtung erfolgte am 5. August 2012.
Megachile sculpturalis. Weibchen vor dem Nesteingang. Female at the nest entrance. (Foto: C. Gihr, Juli 2012).
Megachile sculpturalis. Weibchen vor dem Nesteingang. Female at the nest entrance. (Foto: C. Gihr, Juli 2012).
Megachile sculpturalis. Zwei Weibchen vor dem Nesteingang. Das herbeigeflogene Harz wurde unterhalb des Nesteinganges deponiert. Two females. The resin was deposited beneath a nest entrance. (Foto: C. Gihr, 27. Juli 2012).
Megachile sculpturalis. Zwei Weibchen machen sich unter einem Nesteingang am Harz zu schaffen. Two females tampering with resin beneath a nest entrance. (Foto: C. Gihr, 27. Juli 2012).
Megachile sculpturalis. Ein Weibchen bei der Rückkehr von der Harzquelle mit reichlich Harz in den Mandibeln. Females returning from her source of resin with a big resin load in her mandibels. (Foto: C. Gihr, 5. August 2012).
Die Weibchen trugen Pollen von gelber Farbe ein. Die Analyse einer Pollenprobe ist noch nicht abgeschlossen. Nach Magnum & Brooks (1997) ist Megachile sculpturalis polylektisch. In North Carolina besuchen die Weibchen Koelreuteria paniculata (Sapindaceae), Ligustrum lucidum (Oleaceae) und Vitex (Lamiaceae). In der Umgebung des Nistplatzes von Les Mées waren während des Nestbau von Megachile sculpturalis die meisten Blüten aufgrund der großen Hitze und Trockenheit bereits verdorrt.
Megachile sculpturalis. Weibchen mit Pollen in der Bauchbürste vor dem Nesteingang. Female with pollen in the scopa at the nest entrance. (Foto: C. Gihr, 4. August 2012).
Ascher J.S. (2001) Hylaeus hyalinatus Smith, a European bee new to North America, with notes on other adventive bees (Hymenoptera: Apoidea). - Proc. ent. Soc. Wash. 103: 184-190.
Iwata K. (1933): Studies on the nesting habits and parasites of Megachile sculpturalis Smith (Hymenoptera, Megachilidae). - Mushi 6: 4-26.
Mangum, W. A. & Brooks, R. W. (1997). First Records of Megachile (Callomegachile) sculpturalis Smith (Hymenoptera:Megachilidae) in the Continental US. Jour. Kans. Ent. Soc. 70(2). pp. 140-142.
Tonietto R.K. & Ascher J.S. (2008): Occurence of the Old World bee species Hylaeus hyalinatus, Anthidium manicatum, A. oblongatum, and Megachile sculpturalis, and the native species Coelioxys banksi, Lasioglossum michiganense, and L. zophops in Illinois (Hymenoptera: Apoidea: Colletidae, Halictidae, Megachilidae). - Great Lakes Ent. 41: 200-203.
Tsuneki K. (1970): Bionomics of some species of Megachile, Dasypoda, Colletes and Bombus. - Etizenia 48 : 1-20.
Vereecken, N. J. & Barbier, M. (2009):Premières données sur la présence de l’abeille asiatique Megachile (Callomegachile) sculpturalis Smith (Hymenoptera, Megachilidae) en Europe. - Osmia 3: 4-6.
Wu Y. (2005): Fauna Sinica: Insecta Volume 44: Hymenoptera Megachilidae. Beijing (chinesisch, mit englischer Zusammenfassung).
27. September 2012
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Nachtrag am 5. Januar 2016:
* Zur Problematik des bisher verwendeten deutschen Artnamens und zum Wechsel von »Riesen-Harzbiene« zu »Asiatische Mörtelbiene« siehe die Erläutungen auf dieser Seite unten.