Die Gattung Colletes ist in gemäßigten und tropischen Regionen weltweit verbreitet mit Ausnahme der indoaustralischen Region (Michener 2007). Von ca. 330 Arten kommen in der paläarktischen Region 135 vor, rund 90 in der nearktischen Region und ungefähr 90 in der neotropischen Region. In Europa gibt es 60 Arten (Nieto et al. 2014). Es ist aber mit weiteren, noch unbeschriebenen Arten zu rechnen. Aus Deutschland sind 15 Arten bekannt (A: 20, CH: 15). Was die Verbreitung in Deutschland betrifft, so kommt C. halophilus nur im Küstenbereich vor. Auch C. impuncatus ist nur von den Küsten der Nord- und Ostsee und den Nord- und Ostfriesischen Inseln bekannt. C. hylaeiformis kommt nur im Kaiserstuhl vor, ebenso wie der auch am Tuniberg festgestellte C. collaris. Auch C. mlokossewiczi ist nur sehr lokal verbreitet (Kyffhäuser). C. hederae hat sich in den letzten Jahrzehnten stark ausgebreitet. C. floralis, früher an den Küsten nachgewiesen, ist seit langem verschollen. Dies gilt auch für C. caspicus.
Größe: 7–16 mm. Charakteristische Merkmale der Gattung sind die kurze, zweilappige Zunge, die Zahl und Größe der Cubitalzellen und das zugespitzte Abdomen der Weibchen. Die Körperfarbe ist durchweg schwarz, die Farbe der oft dichten Behaarung gelblichgrau. Das Abdomen ist bei den meisten Arten durch breite Tergitbinden gekennzeichnet (Ausnahme C. cunicularius). Die einzelnen Härchen dieser Binden sind reich befiedert, wodurch die Behaarung filzig erscheint. Die Männchen sind meist etwas kleiner als die Weibchen.
Im Habitus und in der Größe ähneln sich die einzelnen Arten mit Ausnahme von C. cunicularius und C. nasutus so sehr, daß sie im Feld bei der Bestimmung bis zur Art Schwierigkeiten bereiten können. Am leichtesten läßt sich noch C. cunicularius ansprechen, der im weiblichen Geschlecht oft mit der Honigbiene oder größeren Andrena-Arten verwechselt wird, im Siedlungsraum mit etwas Übung auch C. daviesanus durch sein etwas gewölbtes, glänzendes Mesonotum. Im Falle der Weibchen ist die Beachtung des Blütenbesuchs äußerst hilfreich, was in erster Linie auf die oligolektischen Arten (siehe weiter unten) zutrifft.
Colletes cunicularius - Weibchen
Colletes hylaeiformis - Weibchen
Colletes cunicularius Männchen
Colletes succinctus - Männchen
Colletes cunicularius - Männchen frontal
Colletes daviesanus, Weibchen frontal
Colletes fodiens, Männchen frontal
Alle Arten sind solitär, nisten aber vielfach gesellig in kleinen bis sehr großen Kolonien mit mehreren tausenden Individuen im Boden von ebenen bis stark geneigten, unbewachsenen bis lückig oder dicht bewachsenen Stellen. Einige Arten nutzen auch oder bevorzugt Steilwände als Nistplatz. Manche Arten wie C. fodiens bevorzugen Sand als Nistsubstrat, andere wie C. daviesanus nehmen auch mit weicherem Sandstein vorlieb. C. hederae weist die größte Bandbreite an Nistsubstraten und -strukturen auf.
Zum Graben des Nestganges verwenden die Weibchen ihre Mandibeln. Dabei ist ein deutlicher Summton zu vernehmen. Die dabei entstehenden Vibrationen helfen möglicherweise beim Lösen der Erdpartikel. Mit den Vorderbeinen wird das losgebissene Material unter dem Kopf nach hinten geschoben. Bei reichlich angehäuftem Material dienen auch die Mittel- und Hinterbeine sowie das Abdomen zum Wegschieben.
Die Seidenbienen führen ihren Namen nach der besonderen Art der Auskleidung ihrer Brutzellen. Diese besteht aus einer sehr dünnen, durchscheinenden, wasserdichten, cellophanartigen (»seidigen«) Membran. Lange Zeit nahm man an, es sei ein Produkt der Mandibeldrüsen. Aber bereits Dufour (1835) vermutete eine im Abdomen der Biene gelegene und nach ihm benannte Drüse als Ursprung der Membran. Inzwischen konnte man Dufours Vermutung bestätigen und weiß, dass es sich bei der Membran um ein Sekret der Dufour-Drüsen aus sogenannten makrocyclischen Laktonen handelt, das ausschließlich von der ungewöhnlich breiten Zunge (Glossa) aufgetragen wird und – wahrscheinlich durch Zugabe eines enzymhaltigen Sekrets von Thorax-Speicheldrüsen zu einem linearen Polyester (= Laminester) polymerisiert (Albans et al. 1980, Bergström 1974, Bergström & Tengö 1978, Hefetz et al. 1979). Nach Batra (1980) besteht im Falle des nordamerikanischen C. inaequalis die Herstellung der Auskleidung aus zwei sich abwechselnden und wiederholenden Handlungen: a) das von dem teilweise ausgefahrenen Stachel abgegebene Sekret wird aufgesogen; b) das Sekret wird wieder erbrochen und serienweise parallel und spiralig ausgestrichen. Dabei dreht sich die Biene um die eigene Achse und bewegt sich in der Zelle langsam vorwärts. Torchio et al. 1988) haben bei der nordamerikanische n Art C. kincaidii beobachtet, wie die Weibchen zunächst Speicheldrüsenkrete mit der Glossa ausstreichen und dann eine Schicht des Sekrets der Dufour-Drüse aufbringen. Albans et al. (1980) haben bei C. succinctus beobachtet, wie die Biene ein Tröpfchen einer klaren Flüssigkeit aus dem Abdomenende abgab, sich dann herumdrehte und die Flüssigkeit auf der Oberfläche der Zellhöhlung mit der Zunge ausstrich.
Die Brutzellen liegen linear hintereinander oder einzelne in Seitengängen, die vom Hauptgang abzweigen. Sie sind mit einem Gemisch aus zwei Drüsensekreten (Dufourdrüse, Labialdrüsen) ausgekleidet, das durch Polymerisation eine »seidige« Auskleidung ergibt. Es wird mit der kurzen, breiten Zunge auf die Zellwände aufgetragen und ist nach Erhärtung leicht vom umgebenden Substrat zu lösen. Die Eiablage erfogt teilweise an die Brutzellenwand, teilweise auch wird das Ei auch direkt auf dem feuchten bis zähflüssigen Futter abgelegt.
Beide Geschlechter der Colletes-Arten verströmen einen artspezifischen, manchmal zitronigen Duft. Vor allem bei C. cunicularius ist dieser deutlich wahrzunehmen. Die Mandibeldrüsen von neun untersuchten Colletes-Arten sezernieren die Duftststoffe Linalool, Neral und Geranial (monoterpene Alkohole), wobei Linalool die dominante flüchtige Komponente ist (Bergström & Tengö 1978, Hefetz et al. 1978, Rajotte 1980). Ihr zitrusähnlicher Duft wirkt auf beide Geschlechter stark anziehend (Signalwirkung). Die biologische Bedeutung dieser Duftstoffe ist aber noch nicht völlig geklärt. Unter Umständen haben sie eine Verteidigungsfunktion, da sie abgegeben werden, wenn man die Bienen in die Hand nimmt. Weitere Erklärungsmöglichkeiten sind die Bildung und Aufrechterhaltung von Aggregationen, das Markieren von Nahrungsquellen, das Auslösen und Stimulieren des Schwärmens der Männchen und das Markieren der männlichen Territorien.
Die meisten heimischen Arten sind in der Wahl ihrer Pollenquellen mehr oder weniger eng spezialisiert und deswegen am ehesten an ihren spezifischen Futterpflanzen anzutreffen; es gibt aber auch polylektische Arten (Müller & Kuhlmann 2008).
Die bislang als oligolektisch bekannt gewordenen Arten haben folgende Spezialisierung:
➜ Apiaceae (Doldenblütler), Eryngium: C. hylaeiformis
➜ Aralicaceae (Araliengewächse), Hedera: C. hederae
➜ Asteraceae (Korbblütler): C. collaris, C. daviesanus, C. fodiens, C. halophilus, C. mlokossewiczi, C. similis
➜ Boraginaceae (Boretschgewächse), Anchusa: C. nasutus
➜ Fabaceae (Schmetterlingsblütler): C. marginatus
Die übrigen Arten sind polylektisch, insbesondere auch C. cunicularius, der lange als oligolektisch und an Salix (Weiden) gebunden betrachtet wurde. Die polylektischen Arten bevorzugen aber oft ganz bestimmte Pflanzenfamilien als Pollenquellen.
Die Beachtung des Blütenbesuchs kann die Bestimmung v. a. oligolektischer Seidenbienen erleichtern.
Typische Kuckucksbienen bei Colletes sind Arten der Gattung Epeolus (Filzbienen): Epeolus cruciger schmarotzt bei Colletes succinctus und wohl vereinzelt auch bei C. hederae; E. variegatus bei C. daviesanus, C. similis, C. halophilus und C. hederae; E. fallax bei C. hederae. C. cunicularius macht eine Ausnahme, da bei ihm die Buckelbienenart Sphecodes albilabris lebt.
Die einzelnen Arten haben ganz unterschiedliche Flugzeiten. Colletes cunicularius ist eine typische Frühlingsart, während C. hederae erst im Spätsommer und Herbst fliegt. Die übrigen Arten sind im Früh- und Hochsommer aktiv. Die Überwinterung erfolgt bei C. cunicularius als Imago, bei den anderen Arten als Ruhelarve.
Taxonomisch-systematische Publikationen nach 1930 (in zeitlicher Reihenfolge): Noskiewicz (1936), Osytshnjuk (1970), O‘Toole (1974), Warncke (1978), Schmidt & Westrich (1993), Amiet et al. (1999), Kuhlmann et al. (2007). Einen Katalog der paläarktischen Arten hat Kuhlmann (2000) verfaßt.
Kuhlmann et al. (2007) haben anhand molekularer, biogeographischer und phänologischer Belege die Existenz dreier Arten in der Colletes-succinctus-Gruppe bestätigt (C. succinctus, C. halophilus, C. hederae). Viele der von Warncke (1978) vorgenommenen Synonymisierungen und Neukombinationen haben sich als nicht gerechtfertigt erwiesen. Deshalb erweist sich das gründliche und umfassende Werk von Noskiewicz (1936) immer noch als nützlich.
Zur Bestimmung blieb über Jahrzehnte nur der Schlüssel von Blüthgen in Schmiedeknecht (1930: 888ff), bis mit Amiet et al. (1999) ein neues, mit vielen Zeichnungen versehenes Werk erschien, das die Bienen der Schweiz behandelt. In ihm fehlt von den deutschen Arten lediglich die Küstenart Colletes halophilus.
Um die Bestimmung der Männchen zu erleichtern, sollte man bei der Präparation den Genitalapparat herausziehen.
Albans, K. R., Aplin, R. T., Brehcist, J., Moore, J. F. & O’Toole, C. (1980): Dufour’s Gland and its Role in Secretion of Nest Cell Lining in Bees of the Genus Colletes (Hymenoptera: Colletidae). – J. Chem. Ecol., 6: 549–563.
Amiet, F., Müller, A. & Neumeyer R. (1999): Apidae 2 Colletes, Dufourea, Hylaeus, Nomia, Nomioides, Rhophitoides, Rophites, Sphecodes, Systropha. – Fauna Helvetica 4, 210 S.
Batra, S. W. T. (1980): Ecology, Behavior, Pheromones, Parasites and Management of the Sympatric Vernal Bees Colletes inaequalis, C. thoracicus and C. validus. – J. Kansas Ent. Soc. 53: 509–538.
Bergström, G. (1974): Macrocyclic lactones in the Dufour gland secretion of the solitary bees Colletes cunicularius L. and Halictus calceatus Scop. (Hymenoptera, Apidae). – Chemica Scripta, 5: 39–46.
Bergström, G. & Tengö, J. (1978): Linanool in mandibular gland secretion of Colletes bees (Hymenoptera: Apoidea). – J. Chem. Ecol., 4: 437–449.
Blüthgen, P. (1930): Colletes Latr. – S. 888–897 in: Schmiedeknecht, O. (Hrsg.), Die Hymenopteren Nord- und Mitteleuropas. 2. Aufl., Jena (G. Fischer).
Dufour, L. (1835): Etudes entomologiques VII – Hyménoptères. – Ann. Soc. ent. France 5(4): 594–607.
Hefetz, A., Fales, H. M. & Batra, S. W. T. (1979): Natural Polyesters: Dufour’s Gland Macrocyclic Lactones Form Brood Cells Laminesters in Colletes Bees. – Science, 204: 415–417.
Kuhlmann, M. (2000): Katalog der paläarktischen Arten der Bienengattung Colletes Latr., mit Lectotypenfestlegungen, neuer Synonymie und der Beschreibung von zwei neuen Arten (Hymenoptera: Apidae: Colletinae). – Linzer biologische Beiträge 31: 155–193.
Kuhlmann, M., Else, J.R., Dawson, A. & Quicke, D.L.J. (2007): Molecular, biogeographical and phenological evidence for the existence of three western European sibling species in the Colletes succinctus group (Hymenoptera: Apidae). – Organisms, Diversity & Evolution 7: 155–165.
Müller, A. & Kuhlmann, M. (2003): Narrow flower specialization in two European bee species of the genus Colletes (Hymenoptera: Apoidea: Colletidae). – Europ. J. Entomology 100: 631–635.
Noskiewicz, J. (1936): Die palaearktischen Colletes-Arten. – Prace naukowe wydawnictwo Towarzystwa naukowego we Lwowie, (2), 3: 1–532.
Osytshnjuk, A. Z. (1970): Bdzoli – Koletidi (Apoidea, Colletidae). – Fauna Ukrainy, 12, 4, Kiev.
O’Toole, C. (1974): A new subspecies of the vernal bee, Colletes cunicularius (L.) (Hymenoptera, Colletidae). – Journal of Entomology (B) 42: 163–169.
Rajotte, E. G. (1979): Nesting, Foraging and Pheromone Response of the Bee Colletes validus Cresson and Its Association with Lowbush Blueberries. (Hymenoptera: Colletidae) (Ericaceae: Vaccinium). – J. Kansas Ent. Soc. 52: 349–361.
Schmidt, K. & Westrich, K. (1993): Colletes hederae n.sp., eine bisher unerkannte, auf Efeu (Hedera) spezialisierte Bienenart (Hymenoptera: Apoidea). - Entomologische Zeitschrift 103: 89–93.
Warncke, K. (1978): Über die westpaläarktischen Arten der Bienengattung Colletes Latr. (Hymenoptera, Apoidea). – Polskie Pismo Entomologiczne 48: 329–370.
Westrich, P. (2019): Die Wildbienen Deutschlands.– 2., aktualisierte Auflage, 824 S., 1700 Farbfotos. Stuttgart (E. Ulmer).
Ein blauer Link verweist auf einen Steckbrief.
Colletes caspicus
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